Grundlose Kündigung berechtigt zur "Gegenkündigung"!

OLG Frankfurt, Urteil vom 26.06.2023 - 29 U 210/21 BGB a.F. § 648a; BGB §§ 631, 632; HOAI 2013 § 15 Abs. 2, §§ 33, 34

1. Der Architekt ist berechtigt, den Architektenvertrag zu kündigen, wenn der Auftraggeber fällige Abschlagsrechnungen des Architekten nicht bezahlt. Eine Abschlagsrechnung wird aber erst fällig, wenn der Architekt seine Leistungen prüfbar abgerechnet hat.
2. Eine unberechtigte Kündigung des Architekten wegen Zahlungsverzugs berechtigt den Auftraggeber zur "Gegenkündigung" aus wichtigem Grund.
3. Kündigt der Auftraggeber den Architektenvertrag aus wichtigem Grund, hat der Architekt Anspruch auf Bezahlung seiner bis zum Zeitpunkt der Kündigung mangelfrei erbrachten Leistungen.
4. Zur Abrechnung eines vorzeitig beendeten Architektenvertrags mit Pauschalhonorarvereinbarung.

OLG Frankfurt, Urteil vom 26.06.2023 - 29 U 210/21

BGB a.F. § 648a; BGB §§ 631632; HOAI 2013 § 15 Abs. 2, §§ 3334

Problem/Sachverhalt

Die Parteien streiten sich um Honoraransprüche des Architekten nach wechselseitigen Kündigungen. Der Architekt erklärte die außerordentliche Kündigung, weil angeblich fällige Abschlagsrechnungen nicht gezahlt worden sind. Der Bauherr erklärte daraufhin ebenfalls die außerordentliche Kündigung. In der ersten Instanz wird die Klage des Architekten abgewiesen, weil die Honoraransprüche nicht schlüssig und nachvollziehbar dargestellt worden seien. Der Architekt legt hiergegen Berufung ein. Mit Erfolg?

Entscheidung

Die Berufung ist zu einem erheblichen Teil begründet. Zwar wurde der Architektenvertrag vorzeitig beendet, dennoch schuldet der Bauherr die Zahlung der bis zur Kündigung erbrachten Leistungen. Der Architekt war nicht berechtigt, den Architektenvertrag außerordentlich zu kündigen, obwohl der Bauherr zu diesem Zeitpunkt auf mehrere Abschlagsrechnungen des Architekten keine Zahlung mehr geleistet hatte, ohne hierfür eine Begründung vorzutragen. Zwar kann die Nicht-Zahlung von fälligen Abschlagsrechnungen mit oder ohne vorherige Abmahnung ein sofortiges Loslösen vom Architektenvertrag durch den Architekten rechtfertigen (vgl. BGH, IBR 2000, 177), allerdings war der Bauherr mangels Fälligkeit nicht verpflichtet, auf die Abschlagszahlungen des Architekten eine Zahlung zu leisten. Die vom Architekten vorgelegten Abschlagsrechnungen erfüllen nicht die zwischen den Parteien vertraglich vereinbarten Anforderungen, unter denen monatliche Abschlagszahlungen fällig wurden. Nach dem Architektenvertrag werden auch Teilleistungen erst nach vertragsmäßiger Leistung und einer prüfbaren Rechnung für diese Leistung fällig. Dem Vertrag ist gerade nicht zu entnehmen, dass Abschlagszahlungen unabhängig vom Leistungsstand fällig werden sollten. Die Gegenkündigung des Bauherrn war daher als außerordentliche Kündigung gerechtfertigt. Kündigt eine Vertragspartei aus wichtigem Grund, ist der Architekt nur berechtigt, das Honorar zu verlangen, welches auf den bis zur Kündigung erbrachten Teil des Werks entfällt. Trotz der von ihm unberechtigt ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung stehen dem Architekten den von ihm geltend gemachten weiteren Honoraransprüche jedenfalls zum Teil zu.

Praxishinweis

Auffallend ist, das erstinstanzliche Gerichte die Darlegungsanforderungen an den Vortrag für Honoraransprüche oftmals überspannen. Dem Architekten obliegt es, zu den von ihm erbrachten Leistungen vorzutragen und diese von den unstreitig nicht erbrachten Leistungen abzugrenzen. Diesen Anforderungen ist der Architekt hier aber sogar durch Vorlage seiner Schlussrechnung und eines Privatgutachtens nebst Ergänzungen, das vom Gericht als qualifizierter Parteivortrag zu behandeln ist, nachgekommen.

 

RA und FA für Bau- und Architektenrecht Dr. Janis Heiliger, Düsseldorf 

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