Fristen sind kein Selbstzweck!

OLG Braunschweig, Urteil vom 19.09.2019 - 8 U 74/18; BGH, Beschluss vom 02.12.2020 - VII ZR 235/19 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen) BGB §§ 633, 634 Nr. 2, § 637 Abs. 3

1. Die Geltendmachung eines Vorschussanspruchs zur Beseitigung von Mängeln setzt voraus, dass der Auftraggeber dem Auftragnehmer zuvor eine angemessene Frist zur Nacherfüllung setzt.
2. Die Aufforderung zur Mängelbeseitigung muss mit einer Fristbestimmung verbunden sein. Die Frist zur Mängelbeseitigung muss aus Sicht des Auftragnehmers eindeutig und bestimmt sein.
3. Eine Fristsetzung ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn der Auftragnehmer die Mängelbeseitigung ernsthaft und endgültig verweigert.
4. An die tatsächlichen Voraussetzungen für die Bejahung einer endgültigen Erfüllungsverweigerung sind strenge Anforderungen zu stellen. Im bloßen Bestreiten von Mängeln liegt nicht ohne Weiteres eine endgültige Nacherfüllungsverweigerung.

 

Problem/Sachverhalt

Der Auftraggeber (AG) macht einen Kostenvorschuss zur Beseitigung von Mängeln an einem vom Auftragnehmer (AN) errichteten Blockheizkraftwerk geltend. Das LG Göttingen gab der Klage im Wesentlichen statt. Nach Überzeugung des LG Göttingen sei das Blockheizkraftwerk mangelhaft. Der AN habe die Mängelbeseitigung endgültig und ernsthaft verweigert, weswegen der AG dem AN keine Frist zur Mängelbeseitigung setzen musste.

Entscheidung

Zu Unrecht, wie das OLG Braunschweig entscheidet! Der Anspruch auf Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung besteht nur dann, wenn der AG dem AN einen Mangel der Leistung angezeigt und eine Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt hat. Die Frist zur Nachbesserung soll dem AN unmissverständlich verdeutlichen, dass er entscheiden muss, ob er die Folgen einer Verweigerung der Nachbesserung auf sich nehmen oder ob er sie durch eine fristgerechte Nachbesserung abwenden will. Vorliegend fehlt es sowohl an einer ausreichenden Mängelanzeige als auch an einer Fristsetzung zur Nachbesserung. Der AG forderte den AN lediglich zur Zahlung eines Kostenvorschusses für die Selbstvornahme der Mängelbeseitigung auf. Zwar setzt er hierfür eine Frist. Hierauf kommt es aber nicht an, denn das bloße Verlangen eines Kostenvorschusses zur Mängelbeseitigung stellt keine ernsthafte Aufforderung zur Mängelbeseitigung durch den AN dar.

Praxishinweis

Das Urteil des OLG Braunschweig überzeugt und zeigt erneut, dass an die Entbehrlichkeit von Fristen strenge Anforderungen zu stellen sind. Es muss für den AG ausgeschlossen erscheinen, dass der AN sich durch die Frist zur Nachbesserung bewegen lasse (BGH, IBR 2002, 302). Das bloße Bestreiten von Mängeln - auch mittels anwaltlichen Schreibens - ist nicht ohne Weiteres eine endgültige Erfüllungsverweigerung (BGH, IBR 2009, 262). Hierbei wird es stets auf den Einzelfall ankommen. Nach Ansicht des OLG Braunschweig ist es keine endgültige Verweigerung der Nachbesserung, wenn der AN erklärt, dass für ihn "der Fall erledigt" sei, nachdem der AG ihm gegenüber Mängel der Leistung gerügt und mit der Mängelrüge unmittelbar einen Anspruch auf Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung geltend macht. Denn aus der verweigerten Zahlung eines Kostenvorschusses dürfe nicht automatisch darauf geschlossen werden, dass der AN jede Nachbesserung ablehne. Der AN ist nicht verpflichtet, von sich aus die Nachbesserung gerügter Mängel anzubieten. Der AG muss ihn hierzu auffordern. Der AG muss sein Nachbesserungsverlangen deshalb eindeutig formulieren und darf nicht direkt die Kosten für eine Selbstvornahme der Mängelbeseitigung verlangen.

 

RA Dr. Marvin Lederer