Eintrittspflicht für Kosten eines "mutwillig" abgeschlossenen Vergleichs?

AG Stuttgart, Urteil vom 16.01.2020 - 1 C 3954/19 ARB 2012 § 3a Abs. 1, § 5 Abs. 3, § 17 Abs. 1, 5

Zur Frage der Eintrittspflicht einer Rechtsschutzversicherung für die Kosten eines "mutwillig" abgeschlossenen gerichtlichen Vergleichs.*)

AG Stuttgart, Urteil vom 16.01.2020 - 1 C 3954/19

ARB 2012 § 3a Abs. 1, § 5 Abs. 3, § 17 Abs. 1, 5

 

Problem/Sachverhalt

Ein Versicherungsnehmer (VN) verlangt von seiner Rechtsschutzversicherung (RSV) Freistellung von im Rahmen eines Rechtsstreits durch den Abschluss eines Vergleichs entstandenen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 481,95 Euro. Inhalt des Vertrags sind u. a. die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2012). Der VN führte eine zivilrechtliche Auseinandersetzung gegen den Verkäufer eines Gebäudes über die Frage eines angeblich arglistig verschwiegenen Sachmangels am Ölbrenner. Gegenstand dieser zivilrechtlichen Angelegenheit war die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs des VN i.H.v. 6.300 Euro. Für dieses Verfahren lag eine Deckungszusage der RSV vor. Im gerichtlichen Verfahren schloss der VN auf Vorschlag des Gerichts einen Vergleich, durch den er insgesamt 500 Euro erhalten sollte, bei einer Kostenlast von 92%. Die RSV lehnt die Übernahme der Einigungsgebühr ab, da der abgeschlossene Vergleich mutwillig sei, da ein vernünftiger, nicht rechtsschutzversicherter Mandant diesen Vergleich so nicht abgeschlossen hätte. Es seien durch den Vergleich weit mehr Anwaltsgebühren produziert worden als der VN als Zahlung erhalten hatte.

Entscheidung

Das Gericht gibt dem VN Recht! Eine RSV kann den Rechtsschutz ablehnen, wenn ihrer Auffassung nach die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen a) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder b) mutwillig ist. Diese Regelung ist in Anlehnung an die die Voraussetzungen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe betreffende Vorschrift des § 114 ZPO zu verstehen. Diese Regelung gibt dem Versicherer daher zwar die Möglichkeit, die Gewährung von Rechtsschutz unter den genannten Voraussetzungen von Anfang an abzulehnen. Diese Regelung lässt sich hingegen weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Sinn und Zweck die Berechtigung der RSV entnehmen, einen bereits gewährten Deckungsschutz im Nachhinein einseitig ganz oder teilweise wieder zu entziehen. Zweck einer RSV ist es, dass ein Versicherungsnehmer, der sich die Abwälzung von Rechtskostenrisiken durch freiwillige Beitragszahlung zu einer RSV erkauft, seine Rechte ohne die Kostenüberlegungen wahrnehmen kann, die ein nicht Rechtsschutzversicherter in gleicher Lage anstellen würde. Lediglich die Finanzierung sinnloser oder wirtschaftlich in hohem Maße unvernünftiger rechtlicher Maßnahmen Einzelner muss mit Rücksicht auf die Gefahrengemeinschaft der Versicherten ausgeschlossen sein (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 14.07.2016 - 7 U 60/16).

Praxishinweis

Hält sich eine im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs erfolgte Kostenverteilung gegenüber dem Versicherungsnehmer genau dem Anteil des Obsiegens zum Unterliegen, so ist die RSV hieran gebunden. Der Einwand des Versicherers, dass ein abgeschlossener Vergleich mutwillig sei, da ein vernünftiger, nicht rechtsschutzversicherter Mandant diesen Vergleich so aus Kostengründen nicht abgeschlossen hätte, geht ins Leere. Zwar sind nur die objektiv notwendigen Kosten zu übernehmen und sind vermeidbare Kosten nicht zu ersetzen. Das beurteilt sich indes nicht nach der Maßgabe einer vorsichtigen Partei, die die Kosten selbst zu tragen hätte. Maßstab ist vielmehr, was eine nicht versicherte Person in gleicher Lage tun würde, wobei Vergleichsperson ein Unversicherter ist, der keine finanziellen Rücksichten zu nehmen braucht (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 12.12.2018 - 16 U 83/18).

 

RA und FA für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, FA für Sozialrecht, FA für Medizinrecht Maik Fodor, Friedrichshafen

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