Der gerichtliche Vergleich

In seinem Aufsatz zum Thema "Der gerechte Vergleich" bespricht Rechtsanwalt Patrick Holtmann das Für und Wider des Abschlusses eines Vergleichs für Mandanten, Anwälte und Gericht.

Ein Wesensmerkmal der baurechtlichen Streitigkeit besteht darin, dass es sich nahezu immer um ein Mehrpersonenverhältnis handelt. Arbeiten an Bauwerken werden in aller Regel arbeitsteilig erledigt.

Vor diesem Hintergrund ist der Abschluss eines Vergleichs in Bausachen mit besonderen Schwierigkeiten verbunden, weil die Regelungen stets auch das Verhältnis zu anderen Baubeteiligten beachten müssen. Insbesondere Vergleiche in der mündlichen Verhandlung erfreuen sich bei Richtern großer Beliebtheit, wird doch ein Vorgang vermeintlich elegant und vor allem schnell erledigt. Gelegentlich kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Gerichte zum Abschluss eines Vergleichs regelrecht drängen. Selbstverständlich soll aber auch nicht verschwiegen werden, dass Vergleiche in manchen Fällen für den Mandanten zu einer zeitlich und/oder wirtschaftlich vernünftigen Lösung führen können, wenn diese von allen Seiten, also vom Gericht ebenso wie von den beteiligten Anwälten, entsprechend vorbereitet werden. Für den Rechtsanwalt sind dabei auch die Chancen und Risiken abzuwägen, was die Kenntnis und zutreffende Einschätzung von eigenen „Haftungsfallen“ einschließt. Im Folgenden sollen daher die wesentlichen Aspekte des gerichtlichen Vergleichs zusammengefasst werden.

1) Die Güteverhandlung gem. § 278 Abs. 2 ZPO

Nach der Regelung des § 278 Abs. 2 ZPO hat der mündlichen Verhandlung zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits grundsätzlich eine Güteverhandlung voranzugehen, es sei denn, es hat bereits ein Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle stattgefunden oder die Güteverhandlung erscheint erkennbar aussichtslos.

Wesentliche Vorteile bietet diese Regelung im Verhältnis zu den klassischen Vergleichsgesprächen in der mündlichen Verhandlung im Grunde nicht. Das Gericht muss den Parteien zunächst einmal durch eine ausführliche Darlegung des Sachverhalts zu erkennen geben, dass der entscheidungserhebliche Sachverhalt vollständig zur Kenntnis genommen worden ist. Sodann wird in aller Regel eine vorläufige Bewertung der Rechtslage folgen. All dies kann jedoch auch in der mündlichen Verhandlung erfolgen. Sie bietet gegenüber der Güteverhandlung überdies den Vorteil, dass die Parteien zunächst einmal die Anträge gestellt haben, womit entsprechende prozessuale Konsequenzen verbunden sind.

Erfahrene Richter werden die Güteverhandlung in schwierigen Bauprozessen daher kurz fassen und die Vergleichsbemühungen erst intensivieren, nachdem die Sach- und Rechtslage in der Verhandlung bereits im Einzelnen erörtert worden ist.

2) Der Vergleich gem. § 278 Abs. 6 ZPO

Hier sind zwei Fallgestaltungen zu unterscheiden. In der Praxis sehr gebräuchlich ist die Möglichkeit, sich während des laufenden Prozesses zu einigen, dies dem Gericht schriftsätzlich anzuzeigen und zu beantragen, den Abschluss des Vergleichs durch Beschluss gem. § 278 Abs. 6 ZPO feststellen zu lassen. Hierdurch entsteht der Vollstreckungstitel gem. § 794 ZPO. 

Alternativ dazu besteht die Möglichkeit, dass das Gericht während des laufenden Prozesses einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, der dann von beiden Parteien angenommen wird. Auch hier ergeht auf Antrag die Feststellung des Vergleichsabschlusses durch Beschluss gem. § 278 Abs. 6 ZPO. Dieser stellt wiederum den Vollstreckungstitel dar.

Die Möglichkeiten des Vergleichsabschlusses gem. § 278 Abs. 6 ZPO werden in der Praxis häufig genutzt.

3) Der Vergleich in der mündlichen Verhandlung

a) Die Vorbereitung des Vergleichs durch das Gericht

Um erfolgreiche Vergleichsgespräche zu führen, die letztlich im Interesse aller Beteiligten sind, ist eine entsprechende Verfahrensvorbereitung durch das Gericht erforderlich. Dazu zählt insbesondere die Einhaltung folgender Grundvoraussetzungen:

• Die Ladung der Parteien gem. § 141 Abs. 3 ZPO;

• Detaillierte Kenntnis des Akteninhalts;

• Die ausführliche Anhörung der Parteien im Termin;

• Die rechtliche Erörterung mit den beteiligten Anwälten (ohne missionarische Anwandlungen);

• Die Begründung des Vergleichsvorschlags;

• Eine Terminunterbrechung, um den Anwälten die Möglichkeit zu geben, das Für und Wider des Vorschlags intern mit der eigenen Partei zu erörtern.

b) Die Anwaltspflichten vor Abschluss eines Vergleichs

Aber nicht nur an das Gericht, sondern auch und gerade an die beteiligten Anwälte sind vor Abschluss eines Vergleichs hohe Anforderungen zu stellen. Der Weg zu einem im Interesse des Mandanten abgeschlossenen guten Vergleich ist schwierig und verlangt Umsicht.

aa) Als Interessenvertreter seiner Partei hat der Anwalt auch gerichtliche Vergleichsvorschläge kritisch zu prüfen und keinesfalls automatisch abzusegnen. Das verlangt neben einer detaillierten Sachverhaltskenntnis auch die juristische Qualifikation, die Rechtslage zutreffend beurteilen zu können. Vergleichselemente, die zum Nachteil der eigenen Partei gehen (und die gibt es bei einem Vergleich naturgemäß immer), sind nur dann zu akzeptieren, wenn damit Gefahren und Risiken, die mit einer Fortsetzung des streitigen Verfahrens verbunden wären, aus dem Weg geräumt werden.

Dabei muss sozusagen in einem ersten Schritt, der mit dem Vergleichsvorschlag verbundene Nachteil zutreffend erfasst werden (der Klage- oder Klageabweisungsantrag hat angesichts des Vergleichsvorschlags nur teilweise Erfolg). Sodann muss in einem zweiten Schritt – und hierin besteht die eigentliche Schwierigkeit – der weitere Prozessverlauf in seinen Verästelungen weiter gedacht, das Ergebnis einer Beweisaufnahme realistisch prognostiziert und die damit verbundenen Chancen und Risiken mit dem Mandanten erörtert werden (Urteilsprognose).

bb) Es empfiehlt sich, mit dem Mandanten Vergleichsüberlegungen bereits vor dem Termin zu erörtern. Das hat zum einen den Vorteil, dass der Mandant von entsprechenden Überlegungen in der mündlichen Verhandlung nicht überrascht wird. Zum anderen besteht dann in einem vorbereitenden Gespräch ausreichend Gelegenheit, dass der Mandant noch einmal seine Sicht der Dinge und die ihm wichtigen Punkte darlegen kann.

cc) Ist der Mandant haftpflichtversichert, bedürfen Vergleichsüberlegungen rechtzeitig der Rücksprache mit dem zuständigen Haftpflichtversicherer.

c) Die Parteien des Vergleichs

aa) Den Prozessvergleich schließen die Parteien des Verfahrens. Ein Dritter, beispielsweise ein Streitverkündeter, kann dem Prozess aber zum Zwecke des Vergleichsabschlusses beitreten. Wirkt er sodann an diesem Vergleichsabschluss mit, kann auf diesem Wege ein Vollstreckungstitel für und gegen ihn geschaffen werden.

Beispiel: Bauherr B verlangt von dem Unternehmer U Schadensersatz wegen eines Ausführungsfehlers. U hat seinem Subunternehmer S den Streit verkündet. S tritt dem Rechtsstreit auf Seiten des U bei. S verpflichtet sich, zur Abgeltung der Ansprüche des B gegen U im Vergleichswege Schadensersatz in Höhe von 10.000,00 Euro zu zahlen. 

bb) Möglich ist auch ein Vergleichsschluss zwischen den Parteien des Verfahrens zugunsten eines Dritten, der dem Vergleichsschluss nicht beitritt. Über die Frage, ob in diesem Fall der Prozessvergleich Vollstreckungstitel für den dem Vergleich nicht beigetretenen Dritten ist, besteht Streit. Die wohl herrschende Meinung  verneint die Frage. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass § 794 I Nr. 1 ZPO für die Vollstreckbarkeit einen zwischen den Parteien und einem Dritten „abgeschlossenen“ Vergleich voraussetzt. Deshalb sei es nicht möglich, dem Dritten, ohne dessen förmlichen Beitritt die Stellung einer Partei im Zwangsvollstreckungsverfahren zu verschaffen.


- Ende des Auszugs - 

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