Ein wertloses Werk muss der Besteller nicht vergüten

OLG Schleswig, Urteil vom 31.07.2015 - 7 U 95/14; BGH, Beschluss vom 22.11.2017 - VII ZR 215/15 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

1. Der Vergütungsanspruch des Auftragnehmers entfällt, wenn das Werk für den Auftraggeber ohne Wert ist.

2. Weist das Werk erhebliche Mängel auf und muss es deshalb neu hergestellt werden, ist es für den Auftraggeber wertlos.

3. Der Auftragnehmer haftet auch dann, wenn die von ihm hergestellte Leistung mangelhaft ist und die Mangelursache (auch) im Verantwortungsbereich eines Vorunternehmers liegt. Etwas anderes gilt, wenn der Auftragnehmer seine Prüfungs- und Bedenkenhinweispflicht erfüllt hat.

OLG Schleswig, Urteil vom 31.07.2015 - 7 U 95/14; BGH, Beschluss vom 22.11.2017 - VII ZR 215/15 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

BGB §§ 631, 633, 649 Satz 2; VOB/B § 4 Abs. 3, § 13 Abs. 3

Problem/Sachverhalt

Der Auftragnehmer (AN) verklagt die Bauherren eines Einfamilienhauses auf Zahlung von Werklohn für den von ihm erstellten Dachstuhl. Der AN hat den Dachstuhl errichtet, obwohl die vorangegangenen Maurerarbeiten nicht den Vorgaben des Statikers entsprechen und der vom Maurer in Beton hergestellte südliche Ringbolzen (erkennbar) noch nicht vollständig ausgehärtet gewesen ist. Kurz vor Abschluss der Arbeiten wird daher der südliche Ringbolzen durch das Gewicht des Dachstuhls verdreht und nach außen gedrückt. Die Bauherren fordern den AN unter Fristsetzung auf, den Dachstuhl zurückzubauen und neu zu errichten. Der AN macht die Nachbesserung jedoch von einer "rechtlichen Klärung" abhängig. Die Bauherren kündigen daraufhin den Vertrag fristlos und beauftragen ein Drittunternehmen mit dem Abbau des vorhandenen Dachstuhls und dessen Neuerrichtung. Eine Bezahlung der Schlussrechnung des AN verweigern die Bauherren, weil dessen Arbeiten wertlos und unbrauchbar seien. Das Landgericht gibt den Bauherren Recht und weist die Klage ab. Hiergegen wendet sich der AN mit der Berufung.

Entscheidung

Ohne Erfolg! Zwar stehen einem Werkunternehmer grundsätzlich Werklohnansprüche für von ihm erbrachte Teilleistungen auch nach einer Kündigung zu. Im vorliegenden Fall entfällt der Vergütungsanspruch des AN jedoch, weil das von ihm erstellte Werk für die Bauherren wertlos ist. Der Senat macht deutlich, dass der Besteller zur Entrichtung der auf das bereits erbrachte Werk entfallenden Vergütung nur verpflichtet ist, wenn das Werk im Wesentlichen mangelfrei erbracht und für den Besteller brauchbar ist. Dies ist nicht der Fall - die Beweisaufnahme hat ergeben, dass der Dachstuhl mangels kraftschlüssiger Verbindung und der nicht ausreichenden Festigkeit des Betons unbrauchbar gewesen ist. Das Dach wäre daher neu herzustellen gewesen. Der AN haftet, obwohl die Mangelursache im Verantwortungsbereich des Vorunternehmers, dem Maurer, liegt. Der AN hätte die Vorleistung des Maurers prüfen müssen, denn ein Unternehmer ist vertraglich verpflichtet, auf Bedenken hinzuweisen, wenn er die Ungeeignetheit der Vorleistungen erkennt oder erkennen muss (vgl. Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl., 6. Teil - III). Der AN hätte sich daher von der ausreichenden Festigkeit des Betons überzeugen müssen, da die Festigkeit der Ringbalken Voraussetzung für die Durchführung seines Gewerks ist. Diesen Voraussetzungen ist der AN nicht gerecht geworden. Weil der Dachstuhl in der Zwischenzeit vollständig zurückgebaut worden ist, ist die Leistung des AN für die Bauherren wertlos. Zur Bezahlung des Werklohns sind die Bauherren deshalb nicht verpflichtet.

Praxishinweis

Die Entscheidung zeigt, wie wichtig es für den Werkunternehmer ist, die Arbeiten der Vorunternehmer sorgfältig zu prüfen und rechtzeitig auf Bedenken hinzuweisen. Bedenkenhinweise sollten dabei immer schriftlich erfolgen.

RA und FA für Bau- und Architektenrecht Dr. Alexander Boisserée, Köln

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