Das Anordnungsrecht des Bestellers nach § 650b BGB – Teil 1

Vor dem Hintergrund der neuen Regelungen zum Anordnungsrecht des Bestellers nach neuem Bauvertragsrecht unternehmen Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Abel und Rechtsanwalt Dr. Thomas Schönfeld den Versuch einer grundlegenden Systematisierung des neuen Rechts. Ein besonderes Augenmerk legen die Autoren dabei auf die Berücksichtigung der bestehenden verfassungsrechtlichen Anforderungen.

Im Abschnitt I. wird zunächst ein Überblick über die Neuregelung nach § 650b BGB n.F. gegeben. Der Abschnitt II. nimmt sodann einen systematischen Vergleich des neuen Rechts mit den bestehenden gesetzlichen Regelungen zur einseitigen Einflussnahme auf den Gegenstand von Bauverträgen nach § 649 BGB und § 315 BGB vor, aus dem sich erste Einblicke in die praktische Erforderlichkeit, aber auch in die dem neuen Recht zugrundeliegenden Wertungsfragen ergeben. Abschnitt III. ist schließlich den verfassungsrechtlichen Anforderungen an das neue Recht als einer Regelung zur einseitigen Vertragsänderung gewidmet, die sich nach Meinung der Verfasser entscheidend auf die Anwendung des neuen Rechts auswirken. 

I. Einführung und Überblick über die Neuregelung

Das zum 01.01.2018 in Kraft getretene neue Bauvertragsrecht enthält erstmals Neuregelungen zum Anordnungsrecht des Bestellers oder – wie die Baupraxis ihn nennt – des „Auftraggebers“ von Bauwerken. Im bisherigen gesetzlichen Werkvertragsrecht gibt es dafür kein Vorbild und auch das neue Recht beschränkt den Anwendungsbereich des Anordnungsrechts auf den neu geschaffenen Bauvertrag, also den Vertrag über ein Bauwerk i.S.d. neuen § 650a BGB (n.F.).  Eine inhaltliche Änderung einer vereinbarten Leistungsbeschreibung wie auch des vereinbarten Werkerfolgs konnte und kann auch zukünftig im „gewöhnlichen“ Werkvertrag nur durch eine Kündigung nach § 649 BGB und den Abschluss eines neuen Vertrags oder eine Änderungsvereinbarung zum geschlossenen Vertrag erreicht werden; diskutiert wird in diesem Zusammenhang lediglich, ob und unter welchen Voraussetzungen in Ausnahmekonstellationen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Verpflichtung des Unternehmers (bzw. in der Baupraxis des „Auftragnehmers“) bestehen kann, eine entsprechende Neu- oder Änderungsvereinbarung abzuschließen.

Zwar ist die einseitige Bestimmung des Inhalts einer geschuldeten Leistung dem deutschen Schuldrecht an sich nicht fremd. Zu denken ist an die Regelung nach § 315 BGB zur Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen oder an das Weisungsrecht im Arbeitsvertrag nach § 611a BGB. Jedoch sind diese Fälle eines einseitigen inhaltlichen Leistungsbestimmungsrechts durch Besonderheiten gekennzeichnet, die das Anordnungsrecht im neuen Bauvertrag umso mehr aus dem bisherigen gesetzlichen Wertungssystem herausheben:

• Im Fall des § 315 BGB ist es so, dass eine vertragliche Vereinbarung zum Leistungsinhalt gerade nicht oder jedenfalls nicht vollständig getroffen worden ist und die Leistungsbestimmung deshalb einseitig erfolgen muss, wenn man überhaupt zu inhaltlich abschließend festgelegten Verpflichtungen und damit einem vollziehbaren Schuldverhältnis gelangen will. Es handelt sich also um eine Konstellation, in der sich die von der einseitigen Leistungsbestimmung betroffene Vertragspartei letztlich auf einen Vertragsschluss eingelassen hat, ohne abschließend zu wissen, welchen genauen Inhalt die geschuldete Leistungsverpflichtung eigentlich haben soll. In der Vornahme einer solchen Leistungsbestimmung ist dann aber keine Abweichung vom vertraglichen Konsensprinzip zu sehen; denn die vertragliche Einigung ist gerade (auch) darauf gerichtet, dass die Leistungsbestimmung einseitig und im Nachhinein durch eine der Vertragsparteien erfolgen soll.

• Ähnlich wird im Fall des Weisungsrechts nach § 611a BGB die Arbeitsleistung mit Bezug auf die Gegenstände des Weisungsrechts ohne vertragliche Vereinbarung zum genauen Inhalt und zu den genauen Umständen der Arbeitsleistung versprochen. Das Weisungsrecht konkretisiert den Inhalt der Arbeitsleistung nur innerhalb des Rahmens der getroffenen vertraglichen Vereinbarungen bspw. zur Arbeitszeit.  Auch diese Regelung bewegt sich also noch auf dem Boden des vertraglichen Konsensprinzips, weil die vertraglichen Vereinbarungen durch die Weisung nicht geändert werden. Der betroffene Arbeitnehmer hat es damit auch in der Hand, vertragliche Vereinbarungen zu bestimmten Inhalten des Weisungsrechts zu treffen, die dann vom Weisungsrecht des Arbeitgebers ausgenommen sind. Ist also bspw. die arbeitstägliche Lage der Arbeitszeit im Arbeitsvertrag eindeutig festgelegt, so kann der Arbeitgeber nicht aufgrund seines Weisungsrechtes einseitig eine Änderung der vertraglichen Vereinbarung herbeiführen. Damit setzt sich eine erteilte Weisung also auch hier nicht in Widerspruch zu den vertraglichen Vereinbarungen, sondern konkretisiert sie lediglich in einer Art und Weise, die letztlich für ihre ordnungsgemäße Umsetzung erforderlich ist. 


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