Wie kann ein Architektenhonorar/Ingenieurhonorar nach dem komplexen System der HOAI vereinfacht werden (und wie nicht)?

OLG Koblenz, Urteil vom 25.05.2012, Az.: 10 U 754/11

Die HOAI stellt Architekten und Ingenieure oftmals vor das Problem, ihren Auftraggebern erklären zu müssen, wie das Abrechnungssystem der HOAI funktioniert. Oftmals suchen die Planer daher nach Vereinfachungsvarianten. Dies kann einträglich, aber auch risikoreich sein. Erhebliche Risiken können auch für die prozessführenden Anwälte bestehen.

Ausgangssituation:

Die HOAI als Preisrecht behält scheinbar für jedes Bauvorhaben den richtigen Preis der Planungs-, Vergabebegleitungs- und Überwachungsaufgaben vor. Der Individualität der Bauvorhaben ist durch eine Vielzahl an Stellschrauben zu Honorarsatz, Umbauzuschlag, mitzuverarbeitende Bausubstanz und ggf. auch Leistungsprozente Rechnung getragen. Alle Stellschrauben bergen aber auch Streitpotential, weswegen eine Pauschallösung angestrebt sein kann.

Beispiel:

(Nach OLG Koblenz, Urteil vom 25.05.2012, Az.: 10 U 754/11)

Für den Umbau eines Hauses vereinbarten die Parteien schriftlich und bei Auftragserteilung eine “Pauschalvergütung in Höhe von 16 Prozent der anrechenbaren Baukosten nach HOAI" inklusive der Nebenkosten.

Der klagende Architekt erhielt von dem beklagten Bauherrn auf vier abschlagsweise Teilrechnungen Zahlungen in Höhe von insgesamt 100.000 Euro. Nach Schlussrechnungsstellung ergab sich Streit über das Gesamthonorar. Dies hat zur Folge, dass der Architekt nach und nach auch prozessbegleitend vier Varianten von Schlussrechnungen erstellt, über:

•        227.775,99 Euro,

•        310.074,18 Euro,

•        307.369,71 Euro und

•        292.801,88 Euro.

Das Landgericht wendet sich an einen Honorarsachverständigen. Dieser ermittelt, dass von vier Objekten auszugehen sei, nämlich von Gebäuden, einer Freianlage, einem Ingenieurbauwerk sowie raumbildenden Ausbau. Außerdem ermittelt er, dass innerhalb hiervon von mehreren Abrechnungseinheiten für verschiedene Umbauten und Erweiterungsbauten auszugehen sei. Zu all diesen Objekten und Abrechnungseinheiten hat er einzelne anrechenbare Kosten ermittelt und diese aufaddiert. Letztlich gelangt er zu einem Betrag in Höhe von 1.685.483,20 Euro und rechnete 16 Prozent auf 269.677,31 Euro aus.

Das Landgericht urteilte, dass hiermit der nach der HOAI zu berechnende Höchstsatz einschließlich pauschalierter Nebenkosten von insgesamt 262.805,58 Euro überschritten sei, weshalb der Honoraranspruch des Klägers nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darauf zu reduzieren sei.

Das Berufungsgericht weist die Klage in vollem Umfang ab, weil es letztlich an einer schlüssigen Darlegung einer Honorarforderung fehle. Es beurteilt die vereinbarte Klausel zur Honorarbemessung als nicht dem „Bestimmtheitserfordernis“ genügend. Es gibt nicht an, welche Vorschrift es hierzu abprüft. Ggf. ist § 307 BGB gemeint. Jedenfalls urteilt das Gericht, dass das Honorar nach dieser Vereinbarung nicht bestimmbar sei, da es keine „anrechenbaren Baukosten nach HOAI“ gebe. Dies war insbesondere nach der HOAI 1996, die in § 10 den Dreiklang der Kostenermittlungen vorsah, der Fall. Welche hiervon seien gemeint? Außerdem trifft die HOAI über den konkreten Umfang der mitzuverarbeitenden Bausubstanz keine Aussage. Von welchen anrechenbaren Kosten werde daher gesprochen?

Der Vertrag als solcher bleibe auch bei Unwirksamkeit bestehen. Das Gericht sieht die theoretische Möglichkeit zur ansatzweisen Aufrechterhaltung der Honorarvereinbarung, soweit sie Anhaltspunkte dafür enthält, welche zulässige Vergütung die Parteien festlegen wollten. Es bezieht sich auf die Entscheidung des BGH vom 11.10.2007, Az.: VII ZR 25/06 und urteilt, dass der Begriff der „anrechenbaren Kosten nach HOAI“ zu unbestimmt sei, um überhaupt eine Einordnung der gewollten Vergütung innerhalb des Bereichs der nach der HOAI zulässigen Mindest- und Höchstsätze vornehmen zu können. Hieraus folgert das Gericht, dass ein Vergütungsanspruch nur auf der Grundlage der HOAI ohne eine Honorarvereinbarung in Betracht komme, weil sich kein übereinstimmender Parteiwille hinsichtlich der Einordnung des vereinbarten Honorars innerhalb der Mindest- und Höchstsätze der HOAI feststellen lasse.

Hinweis:

Randnummer 14 des in Bezug genommenen BGH-Urteils (vom 11.10.2007, Az.: VII ZR 25/06) erfordert nicht, dass ein Wille der Parteien zur Einhaltung der Spanne zwischen Mindest- und Höchstsatz bei Vertragsabschluss vorliegen müsse oder erkennbar sein müsse. Dort heißt es: „Was das Gesetz nicht verbietet, ist rechtmäßig und kann daher nicht der Nichtigkeitsfolge nach § 134 BGB anheimfallen. (…) An die Stelle der preisrechtlich unzulässigen Vergütung tritt daher der (noch) zulässige Preis, der damit Vertragspreis ist.“

Randnummer 15 des BGH-Urteils führt aus: „Die Fiktion des § 4 Abs. 4 HOAI, die zu einer Berechnung des Honorars nach Mindestsätzen der zutreffenden Honorarzone führen würde, greift nicht ein, wenn eine schriftliche Honorarvereinbarung vorliegt, die kraft Gesetzes auf das preisrechtlich zulässige Maß reduziert wird.“ Hierauf hat das Berufungsgericht so nicht erkannt.

Die HOAI 2013 bezieht sich wie bereits die HOAI 2009 auf die anrechenbaren Kosten der Kostenberechnung. Damit mag eine Unsicherheit, welche Kostenermittlung die gemeinten Beträge enthalte, gegenüber der HOAI 1996 nicht mehr bestehen. Allerdings enthält die HOAI 2013 wiederum eine Regelung zur mitzuverarbeitenden Bausubstanz.

 

Rechtsanwalt Johannes Jochem

RJ Anwälte, Wiesbaden