Was nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht, ist mangelhaft!

OLG Hamm, Beschluss vom 05.09.2019 - 21 U 110/17; BGH, Beschluss vom 25.03.2020 - VII ZR 215/19 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

1. Die Leistung eines Bauträgers ist mangelhaft, wenn sie gegen die anerkannten Regeln der Technik verstößt.

2. Eine von den anerkannten Regeln der Technik im Bauträgervertrag getroffene abweichende Vereinbarung kann nicht dahin ausgelegt werden, dass der üblicherweise zu erwartende Mindeststandard nicht eingehalten werden soll. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn der Erwerber auf eine solche Bedeutung ausdrücklich hingewiesen wurde oder er dies etwa aufgrund einer entsprechenden Fachkunde positiv kennt.

3. Einem Minderungsanspruch wegen Mängeln des Gemeinschaftseigentums kann der Bauträger Resterwerbspreisansprüche gegen die einzelnen Erwerber nicht entgegenhalten.

OLG Hamm, Beschluss vom 05.09.2019 - 21 U 110/17; BGH, Beschluss vom 25.03.2020 - VII ZR 215/19 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

BGB §§ 633, 634 Nr. 3, 4, § 638; WEG § 10 Abs. 6 Satz 3

Problem/Sachverhalt

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) verlangt für die in ihr verbundenen Erwerber vom Bauträger (B) wegen Mängeln der im Gemeinschaftseigentum stehenden Bausubstanz minderungsweise Zahlung von rund 57.000 Euro. Das LG Bielefeld gab der Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens statt. B verteidigt sich u. a. damit, dass die Tiefgarageneinfahrt so gebaut ist, wie sie in der Baubeschreibung und den Teilungsplänen näher beschrieben wurde, und dass die WEG mangels wirksamer Beschlüsse nicht aktivlegitimiert ist. Hat die Berufung Erfolg?

Entscheidung

Nein! Rechte aus Minderung wegen behebbarer Mängel - wie hier - begründen die geborene Ausübungsbefugnis der WEG. Nur sie kann von vorneherein Minderung geltend machen und gerichtlich durchsetzen. Auf die Wirksamkeit der Beschlüsse vom 14.04.2011 und vom 27.10.2014 kommt es daher nicht an. Ein Mangel der Tiefgarageneinfahrt scheidet auch nicht deshalb aus, weil sie mit ihren tatsächlichen Abmessungen in der Baubeschreibung und in den Teilungsplänen eingezeichnet ist und daher die tatsächliche Beschaffenheit nicht von der vertraglich vereinbarten abweicht. Die Einfahrt entspricht nach den sachverständigen Feststellungen aufgrund eines zu geringen Innenradius der Kurve nicht den anerkannten Regeln der Technik. Eine etwaig hiervon abweichende Vereinbarung in der Baubeschreibung kann nicht dahin ausgelegt werden, dass von einem üblicherweise zu erwartenden Mindeststandard abgewichen werden soll, wenn nicht auf eine solche Bedeutung ausdrücklich hingewiesen wird oder der Erwerber dies aus anderen Gründen (z. B. eigene Fachkunde) weiß (vgl. BGH, IBR 2013, 269). Die Berechnung der Minderung der im Sondernutzungsrecht stehenden Stellplätze anhand der Anzahl, des ausgewiesenen Erwerbspreises sowie der schlechteren Erreichbarkeit ist nicht zu beanstanden. Aufgrund der Gemeinschaftsbezogenheit kann B dem minderungsbedingten Zahlungsanspruch nicht die offenen Resterwerbspreise entgegenhalten (vgl. BGH, IBR 1992, 2).

Praxishinweis

Will ein Bauträger von den üblichen Qualitäts- und Komfortmaßstäben abweichen, muss er den Erwerber hierauf deutlich hinweisen und ihn über die Folgen einer solchen Bauweise für die Wohnqualität aufklären (BGH, IBR 2019, 448). Der bloße Verweis auf technische Normen oder technische Werte genügt also nicht. Ungeklärt ist, ob AGB-rechtlich überhaupt von den anerkannten Regeln der Technik wirksam abgewichen werden kann.

RA und FA für Bau- und Architektenrecht Dr. Achim Olrik Vogel, München

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