Vorgeschlagene Gründungsvariante muss zu den Bodenverhältnissen passen!

OLG München, Urteil vom 27.01.2021 - 27 U 4417/19 Bau; BGH, Beschluss vom 26.01.2022 - VII ZR 197/21 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen) BGB §§ 254, 280, 633, 634 Nr. 4

1. Wer mit der geologischen Beratung und Betreuung eines Bauvorhabens beauftragt ist, muss dem Auftraggeber eine geeignete Gründungsvariante vorschlagen.
2. Auf Risiken der vorgeschlagenen Gründungsvariante bei den vorhandenen Bodenverhältnissen muss der Auftraggeber ausdrücklich hingewiesen werden.
3. Der Auftraggeber darf der Empfehlung eines Bodengutachters grundsätzlich vertrauen.

OLG München, Urteil vom 27.01.2021 - 27 U 4417/19 Bau; BGH, Beschluss vom 26.01.2022 - VII ZR 197/21 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

BGB §§ 254280633634 Nr. 4

 

Problem/Sachverhalt

Die Parteien schließen 2010 einen Vertrag über die geologische Beratung und Betreuung. Der Ingenieur schlägt eine Gründungsvariante - Rüttelortbetonsäulen - vor. Diese Variante ist für den vorhandenen Bodenaufbau nicht geeignet. Die eingebrachten Säulen verformen sich wegen des Untergrunds und des Wasserüberdrucks, der beim Einrütteln entsteht. Der Auftraggeber (AG) will festgestellt wissen, dass der Ingenieur den sich hieraus ergebenden Schaden ersetzen muss. Der Ingenieur macht geltend, dass den AG ein Mitverschulden treffe, weil er weitergehende Untersuchungen unterlassen habe und auch Ausführungsfehler vorliegen.

Entscheidung

Der Ingenieur haftet auf Schadensersatz. Zwischen den Parteien ist ein Werkvertrag zu Stande gekommen, den der Ingenieur mangelhaft erfüllt hat. Die empfohlene Gründungsvariante mittels Rüttelortbetonsäulen war ungeeignet und damit mangelhaft (§ 633 BGB). Der Ingenieur schuldet als werkvertraglichen Erfolg die Empfehlung einer geeigneten Gründungsvariante. Sein Vorschlag war indes nicht ausführbar. Die eingebrachten Säulen verformten sich und wiesen Einschnürungen auf, was auf das wassergesättigte Sand-Schluff-Gemisch des Untergrunds und den damit einhergehenden Porenwasserüberdruck zurückzuführen war. Daran ändert auch der Einwand, der Untergrund sei heterogen, nichts. Es ist die Aufgabe des Ingenieurs, dies aufzuklären und die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Er hätte (mindestens) weitere Aufschlüsse empfehlen müssen. Der AG weiß in aller Regel nicht, ob und wann ein Boden "heterogen" ist und ob die erfolgten Erkundungen ausreichen. Hier gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder reichen die Erkundungen aus oder der Ingenieur muss auf Bedenken hinweisen. Hier wurden die Aufschlüsse falsch interpretiert, was zu einer fehlerhaften Gründungsempfehlung führte. Der Ingenieur haftet auf den entstandenen Schaden (§ 634 Nr. 4, § 280 BGB). Ein Mitverschulden des Auftraggebers und damit eine Kürzung des Anspruchs nach § 254 BGB ist nicht gegeben: Der AG darf auf die Empfehlung des Ingenieurs vertrauen. Er hatte keinen Anlass, weitere Untersuchungen vornehmen zu lassen.

Praxishinweis

Die Haftung des Ingenieurs liegt auf der Hand: Die Gründungsempfehlung war ungeeignet. Dann ist der werkvertragliche Erfolg nicht eingetreten, so dass eine Haftung nach §§ 633 ff. BGB vorliegt. Eine Entlastung tritt nur ein, wenn auf Bedenken hingewiesen wurde; an einem umfassenden Hinweis fehlt es in der Praxis üblicherweise. Gelingt es dem Ingenieur nicht, sein fehlendes Verschulden darzulegen und zu beweisen (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB), so haftet er auch auf Schadensersatz. Das OLG stellt teilweise zusätzlich noch auf Hinweispflichtverletzungen ab, die aber wohl durch die Mängelhaftung überlagert bzw. verdrängt werden. Der Mangel liegt darin, dass die Empfehlung der Gründung nicht ausführbar war; einer weiteren Hinweispflichtverletzung bedarf es dann zur Haftung des Ingenieurs nicht mehr.

RA und FA für Bau- und Architektenrecht Dr. Walter Klein, Köln

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