Pfützenbildung bei Starkregen ist „Baugrundrisiko“

OLG Hamburg, Urteil vom 19.08.2016 - 9 U 47/10 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen)

1. Die Versickerungsfähigkeit des Untergrunds stellt einen Unterfall des sog. "Baugrundrisikos" - die Gefahr unvorhergesehener Erschwernisse aufgrund der Beschaffenheit des Baugrunds - dar, das regelmäßig in die Risikosphäre des Auftraggebers fällt.

2. Kommt es auf einem Parkplatz bei stärkeren Regenfällen zu Wasseransammlungen, stellt dies jedenfalls dann keinen Werkmangel dar, wenn der Auftragnehmer Bedenken angemeldet hat.

3. Eine ordnungsgemäße Bedenkenanmeldung kann auch mündlich erfolgen.

4. Der Auftragnehmer kann seine Bedenken an den vom Auftraggeber beauftragten Architekten richten, wenn dieser in besonderer Art und Weise in das Projekt eingebunden ist und die Verhandlungen über die Vertragsinhalte ganz wesentlich von ihm gestaltet worden sind.

OLG Hamburg, Urteil vom 19.08.2016 - 9 U 47/10 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen)

BGB §§ 311a, 320, 644, 645; VOB/B § 4 Abs. 3

Problem/Sachverhalt

Für ein Hotel wird ein Parkplatz mit 63 Stellplätzen gebaut; die VOB/B ist nicht vereinbart. Bei stärkeren Regenfällen kommt es auf dem Parkplatz zu erheblichen Wasseransammlungen. Der Auftragnehmer (AN) hatte den Ehemann der Geschäftsführerin, der das Projekt betreute, mündlich auf die Möglichkeit hingewiesen, dass bei Starkregen in bestimmten Bereichen das Wasser nicht hinreichend schnell versickert, so dass sich dort Pfützen bilden könnten. Kann der Auftraggeber (AG) Mängelansprüche geltend machen?

Entscheidung

Große Wasserflächen auf dem Parkplatz stellen zwar einen Mangel dar. Nach Auffassung des Gerichts hat der AN diesen Mangel aber nicht zu vertreten. Die Versickerungsfähigkeit des Untergrunds stellt einen Unterfall des sog. "Baugrundrisikos" - die Gefahr unvorhergesehener Erschwernisse aufgrund der Beschaffenheit des Baugrunds - dar, das regelmäßig in die Risikosphäre des AG fällt, schon weil es sich um den vom AG i.S.v. §§ 644 f. BGB zur Verfügung zu stellenden Stoff handelt. Mit dieser Feststellung hätte ein Mangelanspruch bereits verneint werden müssen, denn danach liegt das Risiko beim AG. Außerdem kann der AN nicht auf etwas hinweisen, was unvorhersehbar ist. Dennoch prüft das Gericht weiter, ob der AN seiner Prüf- und Hinweispflicht nachgekommen ist und sich so vom Mangelvorwurf befreit hat (§ 13 Abs. 3 VOB/B analog). Eine mündliche Bedenkenanmeldung reicht bei einem BGB-Werkvertrag aus (anders § 4 Abs. 3 VOB/B), sie muss aber gegenüber dem AG erfolgen. Das Gericht sieht den Ehemann als ausreichenden Adressaten: Die Verhandlungen über die Vertragsinhalte und wesentliche Vertragsänderungen waren ganz wesentlich von ihm gestaltet worden; er hatte Vorgaben gemacht. Der AN durfte deshalb davon ausgehen, dass dieser die Entscheidung treffen konnte, ob weitere kostenträchtige Maßnahmen zur Verbesserung der Versickerungsfähigkeit des Untergrunds vorgenommen werden sollen oder ob das Risiko hingenommen werden soll, dass bei starken Regenfällen Wasser auf der gepflasterten Fläche an den tiefer gelegenen Teilen stehen bleibt. Der AN durfte annehmen, dass der AG ausreichend informiert war.

Praxishinweis

Die Entscheidung zeigt erneut, welch hohe Erwartungen die Rechtsprechung an den Auftragnehmer hinsichtlich seiner Prüf- und Hinweispflicht stellt: rechtzeitig - umfassend - gegebenenfalls schriftlich - und gegenüber dem richtigen Adressaten!

RA Dr. Peter Hammacher, Heidelberg 

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