Trotz Stundenhonorarvereinbarung: Freier Mitarbeiter kann nach HOAI abrechnen!

OLG Oldenburg, Urteil vom 21.11.2017 - 2 U 73/17 (nicht rechtskräftig)

1. Die Abrechnung nach den Mindestsätzen der HOAI durch einen freien Mitarbeiter, der Architektenleistungen erbringt, ist auch bei einem vereinbarten Stundenhonorar gestattet und nicht treuwidrig. 2. Die pauschale Behauptung des Auftraggebers, er selbst habe wiederum Honorarvereinbarungen unterhalb der Mindestsätze mit seinen Auftraggebern geschlossen, steht dem auch nicht entgegen.

OLG Oldenburg, Urteil vom 21.11.2017 - 2 U 73/17 (nicht rechtskräftig)

BGB §§ 242, 631 Abs. 1; HOAI § 7 Abs. 3, 5

Problem/Sachverhalt

Ein selbstständiger Architekt (A) vereinbart mit einem anderen Architekten als Auftraggeber (AG), dass er für diesen als freier Mitarbeiter auf Stundenhonorarbasis tätig wird. Nebenbei führt er ein eigenes Büro weiter. Die jeweilige Beauftragung für die betroffenen Vorhaben erfolgt mündlich oder per E-Mail. Die in Streit stehenden Leistungen für sechs Bauvorhaben rechnet A zunächst mit dem vereinbarten Stundenhonorar ab. Als es zum Bruch zwischen den Parteien kommt und die Zusammenarbeit beendet ist, erstellt A aber eine Schlussrechnung auf der Grundlage der HOAI nach dortigen Mindestsätzen und fordert über 178.000 Euro brutto vom AG.

Entscheidung

Mit Erfolg! Die Feststellungen zur Höhe der Forderung überlässt das OLG zwar dem Landgericht, hält aber in seinem Grundurteil fest, dass der Anspruch dem Grunde nach besteht. A hat gegen den AG einen Vergütungsanspruch für erbrachte Architektenleistungen nach den Mindestsätzen der HOAI. Mangels schriftlicher Vereinbarung gelten diese trotz der Stundenhonorarabrede als vereinbart, was sich aus § 7 Abs. 5 HOAI ergibt. Eine Unterschreitung der Mindestsätze käme nach § 7 Abs. 3 HOAI in Betracht. Neben der schriftlichen Vereinbarung liegt aber auch ein dort geforderter Ausnahmefall nicht vor. Bei einseitiger Bindung eines Architekten durch den Auftraggeber und wirtschaftlicher Abhängigkeit käme ein Ausnahmefall im wirtschaftlichen Bereich infrage. Dagegen spricht aber schon die Fortführung des eigenen Büros durch A während der Mitarbeit beim AG. Außerdem wäre zwar auch eine Änderung der Vereinbarung nach Beendigung der Architektentätigkeit unterhalb der Mindestsätze grundsätzlich möglich. In einer Abrechnung nach Stundenhonorar und der Bezahlung kann aber kein Erlass der Forderung gesehen werden. Ebenso liegt eine Treuwidrigkeit oder Rechtsmissbräuchlichkeit nach § 242 BGB nicht vor. Das wäre der Fall bei einer Vereinbarung eines unter den Mindestsätzen liegenden Honorars, sofern der AG auf die Wirksamkeit der Vereinbarung vertraut hat und vertrauen darf und er sich darauf so eingerichtet hat, dass ihm die Zahlung des Differenzbetrags zwischen vereinbartem Honorar und Mindestsätzen nach HOAI nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann. Zwar verhält sich A widersprüchlich, allerdings ist der AG selbst Architekt. Daher sind ihm die Regelungen des § 7 HOAI bekannt. Auch hat der AG, als dafür darlegungs- und beweisbelastete Partei, nicht hinreichend substanziiert dargetan, dass er sich entsprechend auf die Vergütungseinrede eingerichtet hat. Vor allem reicht die pauschale Behauptung, er selbst habe wiederum mit seinen Auftraggebern Honorare unterhalb der Mindestsätze der HOAI vereinbart, hierfür nicht aus (OLG Koblenz, IBR 2006, 35).

Praxishinweis

Zu der vom OLG Oldenburg herangezogenen Entscheidung des OLG Koblenz gibt es auch Gegenmeinungen (bspw. OLG Nürnberg, IBR 2001, 495). Dieses dürfte aber nicht zuletzt eine Frage des Einzelfalls sein. Über allem steht der vom BGH aufgestellte Grundsatz, dass auch bei widersprüchlichem Verhalten des Architekten weitere Maßstäbe an eine Treuwidrigkeit anzulegen sind (BGH, IBR 1997, 288). Diese Trauben hängen hoch!

RA und FA für Bau- und Architektenrecht Tobias Pancratz, LL.M., Oldenburg

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Werkstattbeitrag vom 21.12.2017 – Änderungen vorbehalten; zunächst nur eingeschränkt zitierfähig