Rechtsmittel zur Anweisung einer Bauteilöffnung im Beweisverfahren gegeben?

BGH, Beschluss vom 15.01.2020 - VII ZB 96/17

Gegen die Ablehnung, den gerichtlichen Sachverständigen zur Vornahme einer Bauteilöffnung anzuweisen, ist im selbständigen Beweisverfahren ein Rechtsmittel nicht gegeben.*)

BGH, Beschluss vom 15.01.2020 - VII ZB 96/17

ZPO §§ 404a, 492, 567, 574

Problem/Sachverhalt

Der Antragsteller (ASt) begehrt im vor dem Landgericht geführten selbständigen Beweisverfahren die Feststellung von Baumängeln. Der gerichtliche Sachverständige (S) hält eine Bauteilöffnung für notwendig, um eine Aussage darüber treffen zu können, ob der zu hoch verbaute Fußboden auf zu hoch unter dem Boden verlegte Leitungen zurückgeht; er lehnt indes die Eigen- wie auch eine von ihm veranlasste Fremdvornahme dieser Öffnung ab. Der ASt beantragt, S gerichtlich anzuweisen, diese Bauteilöffnung vorzunehmen oder durch Dritte vornehmen zu lassen. Das Landgericht lehnt ab. Die vom ASt eingelegte sofortige Beschwerde weist das OLG Schleswig (IBR 2018, 303) zurück; es lässt die vom ASt dann gebrachte Rechtsbeschwerde zu.

Entscheidung

Der BGH verwirft die Rechtsbeschwerde als unzulässig. Die Entscheidung des Landgerichts in diesem selbständigen Beweisverfahren, ob es S eine Weisung - hier: Vornahme der Bauteilöffnung - gem. § 404a Abs. 4 ZPO erteilt, ist nicht eigenständig anfechtbar; insoweit handelt es sich auch nicht um ein das Beweisverfahren als solches betreffendes Gesuch. Deshalb ist die gegen die Entscheidung des Landgerichts vorgebrachte Beschwerde von vorneherein nicht statthaft, so dass die vom Beschwerdegericht ausgesprochene Zulassung der Rechtsbeschwerde den BGH nicht bindet.

Praxishinweis

Weder eine dem Sachverständigen gem. § 404a Abs. 4 ZPO erteilte Weisung noch die Ablehnung einer seitens der Partei begehrten Weisung sind per se anfechtbar; es handelt sich um einen nicht selbstständig prüfbaren Bestandteil des Beweisbeschlusses. Dies beschränkt sich nicht auf Beschlüsse im selbständigen Beweisverfahren, sondern gilt ebenso für Beschlüsse im Hauptsacheprozess. Durch die Ablehnung des Begehrens der Partei, den Sachverständigen gerichtlich zur eigenen oder von ihm bei Dritten beauftragten Bauteilöffnung anzuweisen, wird nicht die Rechtsstellung der dies beantragenden Partei dergestalt tangiert, dass insoweit ein beachtlicher, einer Rechtsverweigerung gleichkommender Eingriff in ihre Rechtsposition gesehen werden kann. Mit der vom BGH hier gelieferten Entscheidung bleibt weiterhin die streitige Frage höchstrichterlich unbeantwortet, ob das Gericht den Sachverständigen zur Bauteilöffnung anweisen darf. Meines Erachtens kann nicht angenommen werden, dass jede Nichtdurchführung einer Bauteilöffnung seitens des gerichtlichen Sachverständigen aufgrund dieser BGH-Entscheidung komplett rechtsfrei geworden sei. Diese obliegt nicht in jedem Fall der beweisbelasteten Partei als ihr freistehende und die Sachverständigenbetätigung vorbereitende Maßnahme: Führt ein Sachverständiger die ihm zumutbare Bauteilöffnung von sich aus nicht durch, kann dies durchaus zur Mangelhaftigkeit seiner Leistung führen und damit seine ohne diese Bauteilöffnung gelieferte gutachterliche Leistung vergütungsunfähig machen. Und weist das Gericht den Sachverständigen nicht zur Vornahme einer ihm zumutbaren Bauteilöffnung an, weshalb dann das ohne diese Bauteilöffnung gelieferte Gutachten nicht komplett wird, kann insoweit eine unberechtigt verkürzte Beweisaufnahme vorliegen und dies gegebenenfalls die Niederschlagung der für die unbrauchbare gutachterliche Leistung bezahlten Sachverständigenvergütung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG auslösen.

VorsRiLG a. D. Prof. Jürgen Ulrich, Dortmund

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