Dachkonstruktion Bauvertrag

Im Bauvertrag ist Ungeduld fatal!

OLG Zweibrücken, Beschluss vom 17.05.2021 - 5 U 173/20; BGH, Beschluss vom 18.05.2022 - VII ZR 467/21 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen) BGB a.F. § 649; BGB §§ 314, 633, 634, 648

Erteilt der Auftraggeber vor der Abnahme innerhalb der laufenden Nacherfüllungsfrist ein Baustellenverbot und beauftragt er ein Drittunternehmen mit der Ersatzvornahme, besteht kein Anspruch auf Kostenerstattung.

OLG Zweibrücken, Beschluss vom 17.05.2021 - 5 U 173/20; BGH, Beschluss vom 18.05.2022 - VII ZR 467/21 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

BGB a.F. § 649; BGB §§ 314633634648

 

Problem/Sachverhalt

Die Auftraggeber (AG) verlangen vom ausführenden Unternehmer (U) u. a. die Rückzahlung geleisteter Abschlagszahlungen aufgrund angeblicher von einem Privatsachverständigen festgestellter Mängel an den bisher durch U erbrachten Leistungen. Zu den Sachverständigenterminen war U nicht geladen. Mit Schreiben vom 02.08.2018 fordern die AG den U zunächst zur Beseitigung diverser Mängel (z. B. an den Fußpfetten, am Ringanker und den Wänden) bis zum 18.08.2018 auf. Mit anwaltlichem Schreiben vom 07.08.2018 kündigen die AG den Vertrag dann aus wichtigem Grund und fordern U zudem zur Abnahme auf. Als wichtigen Grund zur Kündigung führen die AG einen Verstoß gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik, wackelnde Wände und eine hierdurch bestehende Gefährdung der Standsicherheit an. Eine gemeinsame Abnahme findet in der Folge nicht statt. Eine Schlussrechnung von U liegt nicht vor. Am 09.08.2018 fordern die AG den U erneut zur Mängelbeseitigung, diesmal bis zum 23.08.2018, auf. Noch vor Ablauf der gesetzten Frist zur Mängelbeseitigung erteilten sie U ein Baustellenverbot, das sie nach einem durch U vorgeschlagenen Termin zur Abnahme nochmals wiederholen. Bereits am 10.08.2018 und damit noch vor Ablauf der zur Mängelbeseitigung gesetzten Frist veranlassen die AG dann die Durchführung erster Mängelbeseitigungsarbeiten. Die auf pauschal die Hälfe der geleistete Abschlagszahlungen gestützte Rückzahlungsklage der AG wird vom Landgericht abgewiesen. Hierauf gehen die AG in Berufung.

Entscheidung

Ohne Erfolg! Zum einen sei der mögliche Anspruch auf Rückzahlung durch die AG nicht schlüssig dargelegt. Zum anderen sei das voranstehende geschilderte Vorgehen der AG (mutmaßlich fristlose Kündigung aus wichtigem Grund, Abnahmeverweigerung, Durchführung der Mängelbeseitigung vor dem Ablauf der zur Mängelbeseitigung gesetzten Frist) für die von den AG begehrte Entstehung eines Rückzahlungsanspruchs aber auch völlig ungeeignet.

Praxishinweis

In diesem Fall könnte es auch heißen: Geduld zahlt sich aus! Zwar führt ein vom AG ausgesprochenes Baustellenverbot nicht per se zu einem Verlust des Nacherfüllungsanspruchs, sondern zunächst "nur" zu einem Annahmeverzug, wenn der AG erkennen lässt, dass er grundsätzlich bereit ist, das Betreten der Baustelle durch den Unternehmer zur Nacherfüllung zuzulassen (OLG Schleswig, IBR 2021, 625; BGH, IBR 2002, 292). Zumindest den fruchtlosen Ablauf der gesetzten Frist zur Nacherfüllung hätten die AG vorliegend jedoch vor der Beauftragung eines Drittunternehmens mit der Mängelbeseitigung abwarten sollen und müssen. Eine Fristsetzung zur Mängelbeseitigung ist nur in Ausnahmefällen entbehrlich, z. B. wegen eines schwer wiegenden Verstoßes gegen Vertragspflichten oder weil sich der Unternehmer als unzuverlässig erwiesen hat. Unterlässt der AG die Fristsetzung zur Mängelbeseitigung oder beauftragt er die Ersatzvornahme (wie hier) zu früh, d. h. vor Ablauf der zur Mängelbeseitigung gesetzten Frist, so verliert er im Regelfall jeden Erstattungsanspruch (BGH, NJW-RR 1988, 208NJW 1986, 922). Wobei den AG vorliegend auch der Ablauf der zur Mängelbeseitigung gesetzten Frist nicht zu ihrem Rückzahlungsanspruch verholfen hätte, da Mängelrechte grundsätzlich erst nach der Abnahme geltend gemacht werden können (BGH, IBR 2017, 186IBR 2017,187IBR 2017, 1014 - nur online). Nachdem vorliegend eine Abnahme nicht erfolgt und auch nicht entbehrlich war, bestand aber auch kein Rückzahlungsanspruch aufgrund der mangelhaften Leistung.

 

RAin und FAin für Bau- und Architektenrecht Dr. Nina Wolber, Staufen

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