Beschaffung von Baumaterial durch gewerbliche Unternehmer

BGH, Urteil vom 17.10.2012 - VIII ZR 226/11

Bei Kaufverträgen zur Beschaffung von Baumaterial durch gewerbliche Unternehmer geht der Inhalt der Nacherfüllung nicht über den Inhalt der Erfüllung hinaus, sodass hierauf ein Ersatz für Ein- oder Ausbaukosten nicht gestützt werden kann. (Anders bei Verträgen zwischen Unternehmern und Verbrauchern)

Zu den sogenannten Parkettstäbe- oder Fliesenfällen ist mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu „Kunstrasengranulat“ eine weitere Klärung erfolgt.

Ausgangssituation:

Es geht um Kaufverträge am Bau. Der Regelfall hierzu dürfte sein, dass ein gewerblicher Bauunternehmer zur Erfüllung seiner werkvertraglichen Pflichten im Verhältnis zum Auftraggeber bei einem Baustoffgroßhandel einen Kaufvertrag für Baumaterialien abschließt. Auch dieses Vertragsverhältnis ist beim Auftreten von Baumängeln von Interesse, wenn diese materialbedingt sind. Insbesondere wird ein in Anspruch genommener Bauunternehmer bei einer mangelhaften Kaufsache Nacherfüllung und Schadensersatz vom Lieferanten begehren.

Beispiel:

(Nach BGH, Urteil vom 17.10.2012 - VIII ZR 226/11)

Ein Bauunternehmer ist beauftragt, einen Sportplatz zu bauen. Hierfür kauft er bei einem Lieferanten Granulat zur Herstellung einer Kunstrasenfläche. Der Lieferant seinerseits war nicht etwa Hersteller, sondern bezog dieses Granulat selbst durch Kauf. Das Granulat war mangelhaft, was sich erst nach Einbau bzw. erst in der Gewährleistungsphase im werkvertraglichen Vertragsverhältnis zwischen Bauunternehmer und Auftraggeber herausstellte. Um nicht auf den Kosten der Nachbesserung sitzen zu bleiben, versuchte der Bauunternehmer, sich an den Lieferanten zu wenden.

Auch im Kaufrecht gilt gemäß § 440 BGB, dass Schadensersatz statt der Leistung erst nach fruchtlosem Verstreichen einer Frist zur Nachbesserung gefordert werden kann. Der Käufer hat gemäß § 439 Abs. 1 BGB die Wahl, ob er die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen möchte. Im vorliegenden Fall hat der Bauunternehmer die Lieferung eines mangelfreien Granulats gewählt, was auch fristgerecht erfolgt ist. Außerdem verlangte der Unternehmer vom Lieferanten eine Zahlung in Höhe von 15.000 Euro für den Ausbau des vormals gelieferten mangelhaften Granulats und 10.000 Euro für den Einbau des im Wege der Nacherfüllung gelieferten mangelfreien Granulats.

Als Anspruchsgrundlage wählte der Bauunternehmer zunächst Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 280, 281 BGB. Diesen Anspruch konnte er nicht geltend machen, da zwar eine mangelhafte Kaufsache vorgelegen hatte, jedoch weder ein Verschulden des Lieferanten nachgewiesen werden konnte, weil diesem der Produktionsfehler weder vorsätzlich noch fahrlässig unbekannt war. Noch war die Frist zur Nacherfüllung erfolglos verstrichen, da ein mangelfreies Granulat vom Lieferanten fristgerecht zur Verfügung gestellt wurde.

Daher versuchte der Bauunternehmer die Kosten für den Ausbau des mangelhaften Granulats und den Einbau des mangelfreien Granulats unter den Begriff der „Nacherfüllung“ und die Anspruchsgrundlage gemäß § 437 Nr. 1, 439 BGB zu fassen.

Dies ist nach der vorstehenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs jedoch nicht möglich, da der Nacherfüllungsanspruch ein so genannter modifizierter Erfüllungsanspruch ist. Deswegen kann der Inhalt der Nacherfüllungsleistungen nicht über den Inhalt der Erfüllungsleistungen hinausgehen. Da ursprünglich nur die Lieferung geschuldet war und keine diesbezüglichen Bauleistungen bleibt es hierbei auch bei der Nacherfüllung.

Dies sieht der Bundesgerichtshof allein für den Fall eines Verbrauchsgüterkaufs im Sinne des § 474 BGB anders. In seiner früheren Entscheidung zum so genannten Fliesenfall (VIII ZR 70/08; NJW 2012, S. 1073ff) bei dem die Oberflächenbeschichtung von Fliesen nicht reparabel mangelhaft war, musste der Lieferant im Wege der Nacherfüllung auch die Ausbaukosten tragen. In jenem Fall war allerdings wesentlich, dass der Käufer ein Verbraucher und der Verkäufer einen Unternehmer war. An dieser Rechtsprechung hält der Bundesgerichtshof nach wie vor fest und erweitert diesen Fall mit einem obiter dictum auch hinsichtlich eines Anspruchs auf Einbaukosten. Dies alles gilt jedoch nur aufgrund einer richtlinienkonformen Auslegung im Sinne der so genannten Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999) und bleibt daher auf Fälle zwischen Verbrauchern und Unternehmern beschränkt. Auf Verträge zwischen Unternehmern hat eine richtlinienkonforme Auslegung nicht zu erfolgen. Der Bundesgerichtshof setzt sich in der neuen Entscheidung intensiv mit den Regeln der richtlinienkonformen Auslegung auseinander, auch bezüglich der Anwendung dieser Regeln über den inhaltlichen Anwendungsbereich der Richtlinie hinaus, etwa bei einer so genannten richtlinienüberschießenden Umsetzung, die im vorliegenden Fall nicht gefordert werden könne.

Hinweis:

Letztlich bleibt es dabei, dass Kaufverträge zwischen Unternehmern anders zu behandeln sind, als Kaufverträge zwischen Verbrauchern und Unternehmern. Ein gewerblicher Bauunternehmer, der ohnehin gemäß § 377 HGB zur zügigen Prüfung der eingekauften Baustoffe gehalten ist, wird sich daher beim Lieferanten nur schadlos halten können, wenn ein schuldhaftes Verhalten nach der Beweislastregel des § 280 Abs. 2 BGB feststeht und Schadensersatz neben der Leistung geltend gemacht wird.

Für die werkvertragliche Nacherfüllung und hierfür notwendige Vor- oder Nacharbeiten gilt in der Rechtsprechung seit jeher die Einstandspflicht des mangelhaft bauenden Unternehmers. (Vgl.: Pastor, in: Werner/Pastor, Der Bauprozess, 13. Auflage Rn. 2087)

 

Rechtsanwalt Johannes Jochem

RJ Anwälte, Wiesbaden