Auch ein unwirksam bestellter Verwalter kann Vertreter sein!

BGH, Urteil vom 11.03.2022 - V ZR 77/21 WEG a.F. § 24 Abs. 1, § 26 Abs. 1 Satz 5, § 27 Abs. 2 Nr. 2, § 45 Abs. 1

1. Für ein Beschlussmängelverfahren, in dem die Wirksamkeit der einseitigen Bestellung des Verwalters durch den teilenden Eigentümer im Streit steht, ist der Verwalter als berechtigt anzusehen, die beklagten übrigen Wohnungseigentümer zu vertreten und für diese Zustellungen entgegenzunehmen.*)
2. Eine in der Gemeinschaftsordnung enthaltene Regelung, mit der sich der zunächst zum Verwalter bestellte teilende Eigentümer die einseitige Bestimmung eines anderen Verwalters in der Aufteilungsphase vorbehält, ist unter Geltung des Wohnungseigentumsgesetzes in der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung jedenfalls insoweit unwirksam, als der Vorbehalt nach Entstehung der (werdenden) Wohnungseigentümergemeinschaft fortgelten soll.*)
3. Der Mangel der Einberufung der Eigentümerversammlung durch einen Nichtberechtigten wird geheilt, wenn sämtliche Wohnungseigentümer an der Versammlung und der Abstimmung teilnehmen; dabei kommt es nicht darauf an, ob den Wohnungseigentümern die fehlende Einberufungsberechtigung bekannt war.*)

BGH, Urteil vom 11.03.2022 - V ZR 77/21

WEG a.F. § 24 Abs. 1, § 26 Abs. 1 Satz 5, § 27 Abs. 2 Nr. 2, § 45 Abs. 1

 

Problem/Sachverhalt

Der teilende und als erster Verwalter eingesetzte Bauträger hat sich in der Teilungserklärung vorbehalten, einseitig einen Verwalter zu bestimmen. Nach der Veräußerung der ersten Wohnungen macht er hiervon Gebrauch. Der so bestimmte neue Verwalter lädt dann zu einer Eigentümerversammlung ein. Gegen auf dieser Versammlung gefasste Beschlüsse geht ein Wohnungseigentümer mit einer Anfechtungsklage vor. Das zuständige Amtsgericht erklärt die Beschlüsse für ungültig; in der Berufungsinstanz wird jedoch die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen.

Entscheidung

Ohne Erfolg! Die Bestimmung in der Teilungserklärung, dass der als erster Verwalter eingesetzte Bauträger auch nach Entstehung der (werdenden) Wohnungseigentümergemeinschaft einseitig einen anderen Verwalter bestimmen kann, ist unwirksam. Insoweit können die Rechte der Wohnungseigentümer nicht beschränkt werden. Ein so unwirksam bestellter Verwalter bleibt aber berechtigt, die Wohnungseigentümer zu vertreten und für diese Zustellungen entgegenzunehmen. Hierfür besteht das Bedürfnis zum Schutz des Rechtsverkehrs und auch das Vertrauen Dritter auf die Bestellung. Dies gilt erst recht für ein Beschlussanfechtungsverfahren, das als solches nicht durchzuführen wäre, sollte der Verwalter die Zustellungen nicht entgegennehmen können. Die Einberufung einer Eigentümerversammlung durch einen nichtberechtigten, weil unwirksam bestimmten Verwalter wird jedenfalls dann geheilt, wenn sämtliche Wohnungseigentümer an der Versammlung und der Abstimmung teilnehmen. Auf eine Kenntnis der fehlenden Einberufungsberechtigung kommt es nicht an.

Praxishinweis

Die Entscheidung noch zum alten Recht stellt klar, dass mit Entstehung der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft keine einseitige Bestimmung des Verwalters mehr erfolgen kann. Auch ein unwirksam bestellter Verwalter kann Zustellungen entgegennehmen und die übrigen Wohnungseigentümer vertreten. Mögliche Einberufungsmängel können in einer Versammlung geheilt werden, an der alle Wohnungseigentümer teilnehmen und dabei abstimmen.

 

RA Hinrich Drude, Lübeck-Travemünde

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