Zur Sekundärhaftungsfrage beim Vorteilsausgleich in der planerischen Leistungskette

Inwieweit ist es dem Hauptunternehmer in der Leistungskette versagt, mangelbedingte Ansprüche gegen den hierfür verantwortlichen Nachunternehmer geltend zu machen, wenn er selbst vom Bauherrn beziehungsweise Besteller wegen dieser Mängel nicht mehr in Anspruch genommen werden kann? Diese Fragestellung beleuchtet Rechtsanwalt Dr. Hans-Joachim Weingart in seinem Fachaufsatz, den wir Ihnen in Zusammenarbeit mit der Zeitschrift baurecht präsentieren. Dabei setzt er sich kritisch mit einer hierzu ergangenen Entscheidung des VII. Zivilsenats zur planerischen Leistungskette (Urt. v. 28.01.2016 – VII ZR 266/14) auseinander.

I. Einleitung

Obgleich gesetzlich nicht geregelt, ist allgemein das Prinzip der Vorteilsausgleichung anerkannt. Dieses Prinzip ist ursprünglich im Bereich des Schadensersatzrechts entwickelt worden. Exakt ist es im Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität angesiedelt. Hier stellt sich häufig die Frage, ob dann, wenn in zu einer Haftung führendes Verhalten nicht nur Nachteile sondern auch Vorteile auslöst, zugunsten des Haftenden diese Vorteile anzurechnen sind. Diese Frage wird im Grundsatz bejaht. Voraussetzung ist, dass zwischen dem haftungsbegründenden Verhalten und dem ggf. anzurechnenden Vorteil ein adäquater Kausalzusammenhang besteht und dass die Vorteilsanrechnung dem Zweck des Schadensersatzrechts entspricht.

Über den Bereich des reinen Schadenersatzrechts hinausgehend ist dann das Prinzip der Vorteilsausgleichung auch außerhalb von Schadensersatzansprüchen als anwendbar erachtet worden. Dies gilt etwa für Ansprüche aus Auftragsrecht oder berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag. Nicht zum Anwendungsbereich der Vorteilsausgleichung gehören dagegen die Fälle von Erfüllungsansprüchen.

In jüngerer Zeit ist aber die Vorteilsausgleichung auch im Bereich des Werkvertragsrechts fruchtbar gemacht worden. Ein weiteres Anwendungsfeld hat sie insoweit bei den werkvertraglichen Leistungsketten gefunden. Hier gilt bei Ansprüchen infolge mangelhafter Leistungserbringung durch den Subunternehmer Folgendes:

Kann in der Leistungskette der Bauherr insbesondere wegen Eintritts der Verjährung keine Ansprüche mehr gegen den Hauptunternehmer durchsetzen, ist es in der Folge der Leistungskette auch dem Hauptunternehmer versagt, seinerseits den mangelverantwortlichen Subunternehmer in Anspruch zu nehmen.

Anlässlich einer kürzlich ergangenen Entscheidung arbeitete der Bundesgerichtshof wenig überraschend in einer Fortschreibung der vorstehend geschilderten Grundsatzerwägung heraus, dass das Anwendungsfeld bei der werkvertraglichen Leistungskette auch die „Planerleistungskette ist, also die Rechtsbeziehungzwischen dem Subplaner, dem Hauptplaner und dem Bauherrn.

Klassischer „auszugleichender Vorteil im Sinne der Vorteilsausgleichung ist bei der Leistungskette der wegen erfolgreicher Verjährungseinrede im Hauptunternehmervertragsverhältnis hier wegfallende Nachteil einer eigenen Schadenersatzverbindlichkeit des Hauptunternehmers gegenüber dem Bauherren. Folge ist, dass dann der Hauptunternehmer auch keine Rückgriffsansprüche mehr gegenüber dem Subunternehmer hat. Neben diesem Hauptanwendungsfall bei der werkvertraglichen Leistungskette kommen auch noch andere Gründe als Auslöser für die Vorteilsausgleichung wegen Wegfalls einer eigenen
Schadenersatzverbindlichkeit des Hauptunternehmers in Betracht. Dies ist bspw. der Vergleich zwischen Hauptunternehmer und Bauherr über das Entfallen oder das Reduzieren des Umfangs von Sachmängelhaftungsansprüchen.

Befasst man sich genauer mit dem vom Bundesgerichtshof neu identifizierten werkvertraglichen Leistungskettenfall der Vorteilsausgleichung bei der Planerkette, gerät für den Hauptauslöser der Anwendbarkeit der Vorteilsausgleichung, nämlich die Verjährung, ein sich bei der „normalen werkvertraglichen Leistungskette nicht stellendes Problem ins Blickfeld: Dies ist die Frage der Sekundärhaftung.

Mit dem seinerseits langjährig anerkannten Rechtsinstitut der Sekundärhaftung ist gemeint, dass bestimmte Leistungserbringer auf eigene Fehler ihrer Leistungserbringung hinzuweisen haben. Unterlassen sie dies und verstoßen gegen die Hinweisverpflichtung auf eine eigene Verantwortlichkeit, führt diese Pflichtverletzung im Gewand des Schadensersatzes und der primären Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 BGB dazu, dass man sich auf eine ansonsten eingetretene Verjährung nicht berufen kann.

Diese Hinweispflicht gegenüber dem Auftraggeber trifft keineswegs jeden werkvertraglichen Leistungserbringer. Der Anwendungsbereich ist eher schmal. Nur Leistungserbringer, die eine umfassende Sachwalterstellung in Relation zu ihrem Auftraggeber haben, werden von dieser Hinweispflicht erfasst. Zu den Anwendungsfällen zählten Rechtsanwälte, auf dem baurechtlichen Feld insbesondere die Architekten – diese allerdings nur bei umfassender Beauftragung – aber auch alle sonstigen Sonderfachleute wie insbesondere Tragwerksplaner, wenn sie besondere Betreuungs- und Aufklärungspflichten übernehmen.

Danach kann sich die Frage, wie sich dogmatisch –strukturell die Sekundärhaftung bei der Vorteilsausgleichung und werkvertraglichen Leistungsketten auswirkt, nicht bei der „gewöhnlichen werkvertraglichen Leistungskette stellen. Vielmehr taucht diese Fragestellung ausschließlich bei der werkvertraglichen „Planerleistungskette auf und auch insoweit nur, als es um umfassend beauftragte Architekten und Sonderfachleute geht. Die aktuellste BGH-Entscheidung des Bausenats zum Vorteilsausgleich in der planerischen Leistungskette streift und thematisiert die hier aufgeworfene Frage der Wirkung der Sekundärverjährung auf den Vorteilsausgleich nur äußerst kurz. Der BGH meint im Ergebnis,dass dem Subplaner nach Eintritt der Primärverjährung im Hauptauftragsverhältnis die Wohltat der Vorteilsausgleichung verbleibt, selbst wenn der Hauptplaner wegen Sekundärverjährung nach diesem Zeitraum noch von dem Bauherren in Anspruch genommen werden kann.

Es stellt sich die Frage, ob diese Rechtsauffassung zu überzeugen vermag.


Der vollständige Aufsatz „Zur Sekundärhaftungsfrage beim Vorteilsausgleich in der planerischen Leistungskette“ erschien zuerst in der Fachzeitschrift „baurecht“ (BauR 2017, 6 - 14 (Heft 1)). Sie können den Beitrag hier online betrachten und herunterladen.