Bauzeitliches Bestimmungsrecht des Bestellers, Teil 2

Bei Werkverträgen über komplexe Bauleistungen, die oftmals erst mit der Abnahme enden, wünscht sich der Besteller häufig, bauzeitwirksame Anordnungen auch einseitig treffen zu dürfen. Aber es ist strittig, ob dies ein tatsächliches Recht des Bestellers gegenüber dem Unternehmer ist. Nachdem Rechtsanwalt Andreas Maase im ersten Teil seines Fachbeitrags einen umfassenden Überblick der Rechtsprechung und Literatur zum Bestimmungsrecht des Bestellers gab, folgt nun seine Analyse und Bewertung des Themas.

Während die Leistungszeit für den Verkäufer beim Kaufvertrag gem. § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Zeitpunkt beschränkt bleibt, in dem die fertige Kaufsache an den Käufer übergeben oder, bei dem durch § 434 Abs. 2 Satz 1 BGB gleichfalls kaufrechtlich qualifizierten Liefervertrag mit Montageverpflichtung,  allenfalls noch montiert wird, nehmen die Herstellung oder Veränderung einer Sache bzw. der andere durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführende Erfolg aus § 631 Abs. 2 BGB beim Werkvertrag einen ganzen, oftmals sehr langen Zeitraum in Anspruch, der gem. § 640 Abs. 1 Satz 1 BGB erst mit der Abnahme endet. Insbesondere bei Werkverträgen über komplexe Bauleistungen mit ihrem zeitlich gestaffelten Ineinandergreifen vieler verschiedener Gewerke und typischerweise mehreren teils nebeneinander und teils nacheinander tätigen Unternehmern sowie ggf. deren Subunternehmern führen Änderungen des Bausolls sowie der allgegenwärtige Termindruck, Friktionen auf der Baustelle und sonstige Verzögerungen z.B. aufgrund öffentlich-rechtlicher Auflagen von Behörden nicht selten zu dem vom Besteller als völlig legitim empfundenen Bedürfnis, bauzeitwirksame Anordnungen auch einseitig treffen zu dürfen.

Der Aufsatz erscheint in zwei Teilen. Im vorigen Heft ging es im ersten Teil um eine Bestandsaufnahme der in Rechtsprechung und Literatur zum Bestimmungsrecht des Bestellers vertreten Auffassungen. Jetzt folgt eine eingehende Bewertung und Analyse des Autors.

E. Stellungnahme auf der Leistungsebene de lege lata

I. Zeit als Vertragsgegenstand

Was es für die Parteien in tatsächlicher Hinsicht bedeutet, Zeit als solche zum Vertragsgegenstand zu machen, ist rechtssoziologisch anhand der Kategorien des Vertrages und der Zeit im Allgemeinen vorzustrukturieren; dass es gerade um Bauverträge und um Bauzeiten geht, spielt hier noch keine Rolle. Schon auf dieser allgemeinen Ebene hat Luhmann darauf hingewiesen, dass innerhalb arbeitsteiliger Gruppierungen, die Prozesse gleich welcher Art veranstalten, die im wahrsten Sinn des Wortes zur Verfügung stehende Zeit nicht nur an sich knapp ist, sondern zusätzlich durch einen kritischen Pfad verengt wird, der aus Zwangspunkten und deren Interdependenzen folgt: Zur Knappheit der Zeit kommt hinzu die Vordringlichkeit des Befristeten. Erforderliche Anpassungen kann der zur Entscheidung berufene Akteur deshalb nur selektiv vornehmen, und zwar vermittels eines Kalküls aus Information, die auszuwerten ist, in Bezug auf Kräfte, Mittel und Handlungen, die zu koordinieren sind. Allerdings kann Zeitdruck nicht etwa in der Zeitdimension selbst – durch bloßes Hinausschieben und Vertagen – aufgefangen werden, sondern der zur Entscheidung berufene Akteur ist gezwungen, entweder in der Sachdimension den intendierten Erfolg (hier also den Bauinhalt) oder in der Sozialdimension den bisher geplanten Ablauf (hier also die Bauumstände) zu modifizieren. Mithin geht es für den Besteller des Bauvertrages wie für jeden innerhalb einer arbeitsteiligen Gruppierung zur Entscheidung berufenen Akteur um eine möglichst flexible Variabilität aller entscheidungserheblichen Faktoren. Was damit gemeint ist, verdeutlichen die vielen Managementmodelle, deren formelhafte Prägnanz sich oftmals Moltkes Aperçu verdankt, dass Führung – und damit eben auch Bauüberwachung – lediglich ein System von Aushilfen sei. Im betriebswirtschaftlichen Schrifttum konnotiert Zeitmanagement deshalb bezeichnenderweise darauf, auf der Entscheidungsebene (Besteller) möglichst viel Freiräume zu schaffen, um dadurch ein Höchstmaß an Selbstbestimmung zu erreichen: das unabweisbare Bedürfnis, aus dem Breyer, Keldungs, Zanner etc. das für sie grundlegende Bedarfsargument schöpfen. Seine Reflexe auf der Durchführungsebene (Unternehmer) sind allerdings ebenso unabweislich die Tendenz zur Fremdbestimmung bzw. im Streitfall das Prognoserisiko, auf das die Gegenmeinung sich bezieht. Ob dieses weniger drückend wäre, wenn der Unternehmer, wie beim englischen construction contract, dogmatisch nicht den Erfolg, sondern – im Rechtssinn – lediglich nicht erfolgsbezogene Dienste schulden würde, muss hier dahinstehen, denn das deutsche Recht begreift den Bauvertrag als Werkvertrag.


Der vollständige Aufsatz „Das bauzeitliche Bestimmungsrecht des Bestellers gem. §§ 157,242 BGB – Teil 2“ erschien zuerst in der Fachzeitschrift „baurecht“ (BauR 2017, 929 - 943 (Heft 6)). Sie können den Beitrag hier online betrachten und herunterladen.