Christine Weyand

„Jura ist ein Spiegelbild des Lebens!“

Christine Weyand ist mit Leib und Seele Juristin in einer Großkanzlei. Im Kreise Ihrer rund 1000 Kolleginnen und Kollegen fühlt sie sich am wohlsten. „Ich wollte schon immer in einem großen Team mit vielen kreativen und innovativen Kolleg*innen arbeiten. Lösungen für komplexe Herausforderungen zu finden, hat mich immer gereizt“, sagt sie. Dass sich diese Herausforderungen seit rund 20 Jahren vornehmlich um große Bauvorhaben drehen, war indes eher Zufall. Im Gespräch verrät sie uns, wie Sie das Baurecht kennen und lieben gelernt hat, was sie bis heute begeistert und was der Nachwuchs unbedingt beachten sollte.

Frau Weyand, wollten Sie schon immer Rechtsanwältin werden oder gab es auch andere Optionen?

Tatsächlich hat mich die Juristerei schon zu Schulzeiten interessiert. Durch meinen Vater, der Verwaltungsjurist, Bürgermeister und Baudezernent einer Südhessischen Stadt war, bin ich zudem schon früh mit baurechtlichen Themen in Berührung gekommen. Auch die vielen Gestaltungsmöglichkeiten, die man als Jurist hat, haben mich begeistert. Bis heute bin ich immer wieder fasziniert, wie sehr Jura unser tägliches Leben wiederspiegelt. Das ist das Gegenteil von dem weit verbreiteten Vorurteil, dieser Beruf sei „trocken“.

Wie war Ihr Berufseinstieg und wie ging es weiter?

Bei Taylor Wessing bin ich vom ersten Tag an in die komplexe Mandatsarbeit einbezogen worden, zunächst im Bereich Litigation. Ich hatte schon in der zweiten Woche meinen ersten Gerichtstermin, in der dritten Woche waren es schon vier Termine und ab der vierten Woche war ich fast täglich vor Gericht. Oft mehrere Termine an einem Tag. Gut vorbereitet in eine Verhandlung zu gehen, eine Strategie zu verfolgen, aber auch spontan reagieren zu müssen, das fand ich super spannend. In den ersten drei Jahren war ich praktisch nur bei Gericht, hatte oft mehrere Verhandlungen am Tag, bin mit wehender Robe von Gerichtssaal zu Gerichtssaal gelaufen, habe bis in die Nacht an Schriftsätzen gefeilt. Das war sehr herausfordernd, aber eben auch sehr spannend – und für mich genau das Richtige.

Gibt es etwas, das Sie am Anfang als Rechtsanwältin lieber vorher gewusst hätten?

(Überlegt) Ein Ratgeber für Berufseinsteiger, der aufzeigt, wie man in den Anwaltsberuf startet, wäre nett gewesen. Zusammen mit einem Kollegen hatten wir seinerzeit die Idee, einen solchen Ratgeber zu schreiben. Daraus ist nichts geworden und heute gibt es solche Werke zuhauf. Vielleicht war es aber auch besser so, schließlich mussten wir dadurch unseren ganz eigenen Weg finden. Heute hat sich der Berufseinstieg in der Großkanzlei ohnehin verändert. Es gibt Mentorenprogramme, interne Fortbildungen und gezielte Förderungen gerade für Berufseinsteiger.

Ihr Tipp an Berufseinsteiger:innen heute?

Ich finde es enorm wichtig, dass man schon während des Studiums Kanzleiluft schnuppert. So kann man die Theorie aus dem Studium in der Praxis erleben. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter kann man zudem schon sehr früh vieles ausprobieren und eigene Schwerpunkte für sich finden. Viele Associates fangen schon als wissenschaftliche Mitarbeiter*innen in der Kanzlei an. Ihre Prüfungsthemen können sie bei uns „live“ erleben und sich so perfekt vorbereiten.

Heute sind Sie Salary Partner in einer Großkanzlei mit 1000 Kolleg:innen auf der ganzen Welt? Eine bewusste Entscheidung oder eher beherzte Nutzung sich ergebener Möglichkeiten?

Das war eine ganz bewusste Entscheidung! Schon im Referendariat war ich in Großkanzleien unterwegs. Die großen Mandate und das sehr spezialisierte Knowhow begeisterten mich sofort: die großen Zusammenhänge, die großen Projekte und die ganz großen Räder (lacht). Hinzu kommen die internationalen Mandate und der Austausch über die Landesgrenzen. Kürzlich hatten wir die internationale Partner-Konferenz mit Kollegen aus London, Paris, Prag, Dubai – das war herrlich! 

Warum machen Sie ausgerechnet Baurecht? Wie kamen Sie dazu und warum sind Sie dabeigeblieben?

Ich wollte immer in einem Bereich arbeiten, der vielfältig ist, kreative Möglichkeiten bietet und in dem große und komplexe Projekte realisiert werden – im Baurecht habe ich genau diese Kombination gefunden. Wenn ich zum Beispiel an die Quartiersentwicklung denke, in Zuge dessen ganze Stadteile geplant und realisiert werden. Dabei müssen viele verschiedene Themen bedacht und zusammengeführt werden. Auch die vielen verschiedenen Disziplinen und Gewerke  begeistern mich immer wieder aufs Neue: Architekten, Ingenieure, Unternehmer, Handwerker – auf alle musst du dich als Baurechtsanwältin einstellen können. Das ist wie in einem Orchester, in dem viele verschiedene Instrumente in Gleichklang gebracht werden müssen, damit am Ende ein Wohlklang entsteht. Genauso funktionieren komplexe Baustellen: Wenn alle Disziplinen zusammenwirken, geht es voran und am Ende steht da ein Gebäude, das man sehen und anfassen kann – durchaus eine Kunst (lacht).

Was macht Ihnen an Ihrem Job als Baurechtsanwältin besonders viel Spaß? Was machen Sie gerne?

Ich versuche immer herauszufinden, was die einzelnen an einem Vorhaben Beteiligten wirklich antreibt. Warum tun sie genau das, was sie tun? Wenn das gelingt, klappt es dann meist auch mit der Juristerei. Gerade am Bau ist das wichtig, wo es oft Reibereien und Streit gibt. Um diese z.B. mithilfe einer Schlichtung lösen zu können, muss ich die Motivation hinter den Aktionen kennen. Nur so gelingt es, in festgefahrenen Situationen neue Wege zu finden. Auch das fasziniert mich immer wieder aufs Neue.

Was mögen Sie gar nicht an Ihrem Job?

Es gibt Kollegen, für die es nicht um die Sache selbst, sondern rein ums „gewinnen“ geht, was auch immer das für sie bedeutet. Dabei verlieren sie mitunter den eigenen Mandanten aus dem Blick. Das halte ich für kontraproduktiv. Letztendlich sollten alle an einer gemeinsamen Lösung interessiert sein. Ein gemeinsam gefundenes, für alle tragbares und gutes Ergebnis, halte ich für die nachhaltigste Lösung. Diese letztendlich zu erreichen, ist mein Ziel und empfinde ich als Gewinn. 

Spielt das Geschlecht eine Rolle in Ihrem Job?

Nein, das Geschlecht ist heute nahezu bedeutungslos. Viel wichtiger ist das Auftreten und die Erfahrung, die jemand einbringt. Gerade im Baurecht wird schnell klar, ob jemand weiß, was er oder sie tut.

Frau Weyand, vielen Dank für das Gespräch!


 

Rechtsanwältin Christine Weyand

  • Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht
Zum Profil