Sind Frauen die besseren Rechtsanwälte?

Silvia Groppler ist mit Leib und Seele Berlinerin. Dort ist sie seit 25 Jahren als Rechtsanwältin aktiv. Zudem gestaltet die Notarin und Fachanwältin für Familienrecht sowie für Miet- und Wohnungseigentumsrecht die Berufspolitik der Anwaltschaft mit. Sei es im Vorstand des Deutschen Anwaltsvereins, im DAV-Ausschuss Gender und Diversity oder der Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer. Wir sprachen mit Frau Groppler über Gleichstellung, Frauenquote und Gendern in Texten. Dabei verrät sie uns auch, welche Rolle Männer dabei spielen sollten.

Wir fallen gleich mit der Tür ins Haus: Sind Frauen die besseren Rechtsanwälte?

Also erstmal sind Frauen natürlich Rechtsanwältinnen (lacht). Und sicher muss man die Frage etwas eingrenzen. Es gibt ja nicht ‚die Rechtsanwältin‘ oder ‚den Rechtsanwalt‘. Vielmehr sehe ich eine große Vielfalt in der Anwaltschaft, den Kanzleistrukturen, den fachlichen Schwerpunkten oder auch den persönlichen Eigenschaften. Das lässt sich nicht über einen Kamm scheren. Ich glaube eher, dass es bei Frauen schwerpunktmäßig bestimmte Eigenschaften gibt und bei Männern wieder andere. Frauen gelten beispielsweise als offener und wesentlich emotionaler, Männer bleiben lieber sachlich und kontrolliert.

Mit Qualität im Job hat das nichts zu tun und sowohl erfolgreiche Anwältinnen als auch Anwälte erreichen ihre Ziele – nur vielleicht auf anderen Wegen und mit anderen Mitteln.

Braucht die Anwaltschaft die Frauenquote?

Die Anwaltschaft ist ein freier Beruf, der sich nicht so ohne Weiteres reglementieren lässt. In der Wirtschaft ist das anders. Allerdings haben hier Selbstverpflichtungen oder Ähnliches bisher kaum zum Ziel geführt. Dennoch: Denkbar wäre, dass es in größeren Kanzleien eine bestimmte Quote von Partnerinnen gibt. Noch immer sind Partnerinnen häufig unterrepräsentiert, obwohl es eigentlich genug Frauen in den Kanzleien gibt. Auch bei den Gremienbesetzungen sollte aus unserer Sicht auf eine Verteilung geachtet werden, die zumindest den allgemeinen Geschlechteranteilen in der Anwaltschaft entspricht. Naturgemäß gibt es ohnehin große Unterschiede je nach Fachbereich. Kurz gesagt: Wir haben das Thema auf dem Schirm, arbeiten aber lieber damit, ein Bewusstsein für Gleichstellung zu schaffen, als um jeden Preis irgendwelche Quoten überall durchsetzen zu wollen.

2004 haben Sie die Arbeitsgemeinschaft Anwältinnen mitgegründet. Heute sind Sie Vorsitzende des DAV-Ausschusses Gender und Diversity. Was genau machen Sie da?

Wir befassen uns mit allen Fragen, die unter der Überschrift relevant sind. Und wir beschäftigen uns mit Gesetzgebungsvorlagen, und zwar nicht als Einzelausschuss, sondern im Zusammenwirken mit einem Fachausschuss. Nehmen wir das Beispiel Arbeitsrecht. Inhaltlich wäre der gleichnamige Ausschuss dafür zuständig und würde eine Stellungnahme vorbereiten. Anschließend würden wir diese begutachten und aus unserer Perspektive kommentieren. Das gemeinsam erarbeitete Resultat wird dann von der Präsidentin des DAV geprüft und geht anschließend als Stellungnahme des DAV an die Vertreterinnen und Vertreter der Politik und der Verbände.

Einer Studie zufolge verdienen Anwältinnen deutlich weniger als Anwälte. Offenbar ist dieser „Gender Pay Gap“ in der Anwaltschaft sogar ausgeprägter als in anderen Wirtschaftsbereichen. Warum ist das so?

Es gibt einfach eine gewisse Tradition, wie Frauen-Karrieren funktionieren, ganz allgemein, aber besonders auch in der Anwaltschaft. Frauen sind im Vergleich häufiger in kleineren Kanzleistrukturen unterwegs, sie wählen Rechtsgebiete aus, in denen weniger verdient wird, sie sind eher angestellt und arbeiten häufiger in Teilzeit. Und sie kümmern sich meist mehr um die Kinder als ihre Partner. In der Folge gelangen Frauen immer noch erheblich schwerer in die Führungsebenen als Männer. All das ist in Bewegung und ändert sich ganz allmählich mit jeder Generation.

Aber wie die zitierte Studie zeigt, ist hier noch viel Luft nach oben. Diese Themen wollen wir sichtbar machen. Wir wollen Bewusstsein dafür schaffen, Diskurse anstoßen und auch auf politischer Ebene wirken.

Was muss sich ändern, um die Bedingungen in der Anwaltschaft für Frauen zu verbessern?

Aus unserer Sicht müssen wir den sogenannten „Unconcious Bias“ sichtbar machen. Die oben geschilderten Strukturen sind ja nicht bewusst installiert worden, sondern eher Überbleibsel aus anderen Zeiten. Diese Strukturen müssen wir in die Gegenwart holen und zukunftsfähig machen. Stichwort Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dafür braucht es neue Möglichkeiten, um mehr Flexibilität für Frauen und Mütter – natürlich gilt dies auch für Väter - zu schaffen, z. B. gehören Arbeitszeitmodelle angepasst oder auch so simple Dinge wie zeitliche Absprachen im Zusammenhang mit Gerichtsterminen müssen erleichtert werden. Und wir sollten Frauen früher ‚abholen‘ und ihnen die neuen Möglichkeiten in der Anwaltschaft nahebringen. Es gibt nicht nur Verwaltung und Justiz, sondern auch die Karrieren in der Kanzlei.

 


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Wie lauten Ihre Antworten zu den Fragen, die wir mit Rechtsanwältin Silvia Groppler besprochen haben? Braucht die Anwaltschaft mehr Gleichstellung? Ist eine Frauenquote im Rahmen der Möglichkeiten der freien Berufe sinnvoll? Welche Rolle spielt das Gendern in Ihrem Alltag?

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Es vergeht kaum ein Tag, an dem in den deutschen Medien nicht über das Gendern diskutiert wird. Welche Rolle spielt das Thema in Ihrem Berufsleben?

Das Thema ist mir wichtig und somit gebe ich ihm Raum. In der Verbandsarbeit ist es sehr präsent und im Kanzleialltag achte ich natürlich auch darauf. Das bedeutet selbstverständlich auch, dass ich in Korrespondenzen und Schriftsätzen eine geschlechterneutrale Sprache verwende. Denn nur so kann ich ein Bewusstsein für die Bedeutung und Sinnhaftigkeit schaffen. Auf der anderen Seite werde ich natürlich nicht meine Argumentation schwächen, in dem ich auf Teufel komm raus gendere, wenn ich anders besser zum Ziel komme. Das ist aber die Ausnahme. Für die Anwaltschaft geht es immer auch um Sprache und damit müssen wir sorgfältig umgehen.

Ministerin Christine Lamprecht rät Behörden von Gender-Zeichen ab. Elke Heidenreich bezeichnet das Gendern als „völligen Blödsinn“. Was meinen Sie dazu?

Hier muss man unterscheiden. Die reaktionäre Fraktion, meist Männer, aber auch ein paar Frauen, die geschlechterneutrale Sprache kategorisch ablehnt. Was Frau Lamprecht sagt, ist etwas Anderes. Ihr geht es um ein ‚gutes‘ Gendern, das die Sprache nicht ‚verhunzt‘. Daher rät die Ministerin von Sternchen und Co ab. Auch weil damit aus ihrer Sicht die Rechtssicherheit gefährdet werden könne, was sehr bedeutsam für die Anwaltschaft wäre. Aber: Sie können heute kaum die Jüngeren erreichen, wenn Sie nicht gendern. Für die heutige Studierendengeneration ist Gendern überwiegend selbstverständlich.

Die Gesellschaft wandelt sich und mit ihr auch die Sprache. Hier sehen wir eine klare Bewegung, ein wachsendes Bewusstsein dafür, dass das generische Maskulinum nicht der Königsweg ist, weil darin kein Platz für Königinnen ist (lacht). Vielmehr muss es darum gehen, die Sprache – auch in den Gesetzen - behutsam anzupassen und geschlechterneutral und divers zu gestalten.

Wie ist ihre persönliche Meinung zum Gendern?

Ich persönlich nutze keine Sternchen oder Doppelpunkte, sondern verwende lieber einen Schrägstrich – was viele, vor allem Jüngere, furchtbar altmodisch finden. Bevorzugt spreche ich von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten oder nutze Alternativen wie etwa ‚die Anwaltschaft‘. Die deutsche Sprache bietet hier viele Möglichkeiten. Wir sollten Sie nutzen!

 

 

Rechtsanwältin und Notarin Silvia C. Groppler

  • Fachanwältin für Familienrecht
  • Fachanwältin für Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht
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