Dr. Wolfgang Koeble

„Die Kombination aus Recht und Technik fasziniert mich!“

Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Koeble gilt im Baurecht als Institution. Der Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht gehört international zu den erfahrensten Schiedsrichtern für Bau- und Anlagenbauprojekte unter deutschen Beteiligten. Im Laufe seiner Karriere hat er an über 50 Buchveröffentlichungen mitgewirkt und mehr als 750 Vorträge gehalten. Zudem ist er einer von sieben Gründungsmitgliedern der ARGE Baurecht. Wir sprachen mit ihm über seine außergewöhnliche Karriere.

Herr Dr. Koeble, Ihre Kanzlei gehört zu den renommiertesten Baurechts-Boutiquen in Deutschland. War das schon immer der Plan?

Ja, natürlich, das wollten wir schon immer (lacht). Nein, natürlich nicht. Das war ein langer Weg. Begonnen hat die Geschichte Mitte der 1950er Jahre, als Prof. Dr. Horst Locher, dessen Partner ich später wurde, die Kanzlei eröffnete. In den 1970er Jahren war Prof. Locher dann Professor an der Universität Tübingen, wo ich bei einem seiner Kollegen als Assistent tätig war. Er suchte einen geeigneten Juristen, der mit ihm das erste Buch zum Thema Baubetreuungs- und Bauträgerrecht schreibt. Das haben wir dann 1973 gemeinsam verfasst. Im Laufe der Zeit habe ich auch in der Kanzlei mitgearbeitet und bin da so reingerutscht, ohne dass ich Baurechtler werden wollte. Eigentlich wollte ich Wirtschaftsrecht machen oder an der Uni bleiben. Aber es kam anders. Ab Mitte der 80er Jahre habe ich dann gemeinsam mit meinen Kollegen und mit bester Unterstützung durch meine Mitarbeiterin Frau Bauernfeind die Kanzlei für Baurecht und Immobilienrecht aufgebaut.

Sie sind also durch Zufall im Baurecht gelandet, aber dabeigeblieben. Was fasziniert Sie an diesem Rechtsgebiet?

Faszinierend ist vor allem die Kombination aus Recht und Technik. Man steht immer wieder vor komplizierten Sachverhalten, vor umfangreichen Schriftstücken und denkt zunächst: Um Gottes willen, wie soll ich da nur durchblicken! Auch heute habe ich davor noch immer ziemlichen Respekt. Aber wenn ich mich gemeinsam mit einem Techniker und dem Mandanten einarbeite und nach und nach eine Struktur erkenne und diese in Schriftsätzen darlegen kann, dann ist das wahnsinnig toll. Wenn ich abends nach Hause gehe, freue ich mich, dass ich diese Geschichte hinbekommen habe. Die Anforderungen sind anfangs hoch, aber umso schöner ist das Gefühl, am Ende ein Verfahren im Sinne des Mandanten gestaltet und eine gute Lösung gefunden zu haben.

Sie sind nicht nur als Baurechtsanwalt erfolgreich, sondern auch einer der erfahrensten deutschen Schiedsrichter in komplexen Bausachen. Was begeistert Sie daran?

Zwar bewege ich mich als Schiedsrichter in Bausachen in der gewohnten Materie, aber die Sichtweise ist natürlich eine völlig andere. Wenn es darum geht, eine gute einvernehmliche Lösung für alle Beteiligten zu finden, ist Neutralität oberstes Gebot. Inzwischen war ich an mehr als 50 Schiedsgerichten beteiligt, die große und sehr große Bauprojekte verhandelt haben, darunter Kraftwerke in Ägypten, Großbritannien oder der Türkei. In einem Fall ging es um einen Hotelbau in Mekka. Auf dessen Turm thront die größte Uhr der Welt, das Ziffernblatt hat einen Durchmesser von 50 Metern. Wir haben ein Schiedsgericht über Streitfragen zwischen zwei Baubeteiligten durchgeführt und nach zähem Ringen eine gute Lösung gefunden. Diese Diversität und auch die Internationalität in Verbindung mit dem Perspektivwechsel fand und finde ich wahnsinnig spannend. Es ist eine schöne, noch umfangreichere Tätigkeit als die Bearbeitung von Gerichtsfällen als Rechtsanwalt. Aber es gibt noch mehr Genugtuung, wenn man sowas hingekriegt hat.

Das klingt spannend, aber auch anstrengend. Macht es denn Spaß im Baurecht zu arbeiten?

Um ehrlich zu sein: Ja! Ich gehe nach wie vor gerne jeden Tag ins Büro. Es macht Spaß, sich mit den Kollegen auszutauschen, über Problemfälle, neuere Entwicklungen und Rechtsfragen zu sprechen. Klar reden wir manchmal auch über Fußball (lacht). Aber es ist das kommunikative Element, was mir bei der Bewältigung der komplizierten Sachverhalte hilft. Dazu reicht manchmal ein Gespräch beim Mittagessen mit den Kollegen. Da gibt jeder seine Meinung zu einer Frage ab, berichtet von eigenen Erfahrungen oder sagt: Oh, da habe ich was gelesen, das könnte für Sie eine Rolle spielen. Wenn man im kollegialen Austausch mit anderen Baurechtlern das Gefühl bekommt, auf dem richtigen Weg zu sein, dann ist das einfach toll. Diese Gruppendynamik gehört bei uns zur Kanzleikultur. Das merken auch die jüngeren Kollegen.

Apropos jüngere Kollegen: Wie sieht es denn bei Ihnen mit dem baurechtlichen Nachwuchs aus?

Da können wir nur in den allgemeinen Tenor einstimmen: Es gibt die größten Schwierigkeiten, junge Leute für das Baurecht zu finden und, wenn sie mal dabei sind, bei der Stange zu halten. Das hat sich in den letzten fünf bis zehn Jahren noch einmal verschärft.

Woran liegt das?

Tja darüber haben wir uns schon sehr oft den Kopf zerbrochen (lacht). Ich glaube, es liegt erstens daran, dass andere Rechtsgebiete attraktiver erscheinen. In vielen anderen Rechtsgebieten können Sie mit kleinen Akten oder mit dem iPad zum Termin gehen und müssen keine dicken Ordner schleppen. Im Baurecht sind die Sachverhalte wahnsinnig umfangreich und gerade der Einstieg ist nicht einfach. Zweitens ist es natürlich leichter, in einer Großkanzlei in einer Gruppe von Leuten zu starten, statt eigenverantwortlich in ein Spezialgebiet einzusteigen. Junge Kolleginnen oder Kollegen, die bei uns anfangen, haben sofort ein eigenes, verantwortungsvolles Referat und müssen da weitgehend selbstständig entscheiden. Natürlich stehen die erfahrenen Kollegen zur Seite. Meine Tür steht dafür immer offen. Einarbeiten müssen Sie sich in jeden Bereich, im Baurecht brauchen Sie dafür aber deutlich länger. Die Leute, die bei uns anfangen, nehmen wir immer mit in Besprechungen mit Mandanten. Nicht weil sie das Juristische lernen müssen. Sondern weil sie so die Bautechnik und natürlich auch den Umgang mit dem Mandanten lernen.

Welche Qualitäten brauchen Rechtsanwälte, um sich zu behaupten?

Also ein gutes juristisches Fundament muss natürlich vorhanden sein. Außerdem muss man sich in technische Sachverhalte hineindenken können, bereit sein, nachzufragen. Oder ein Talent haben, schnell zu kapieren. Das habe ich besonders bei meinem Kollegen Rechtsanwalt Dr. Alexander Zahn festgestellt. Der brachte einen Abschluss als Betriebswirt BA mit und hatte drei Jahre lang die Berufsakademie besucht. Als der Kollege hier angefangen hat, habe ich ihn bei vielen Besprechungen mit hinzugezogen. Im Laufe der Zeit hat sich der Kollege eingeschaltet und schon bald haben sich die Mandanten nur noch mit ihm unterhalten, weil er es verstanden hat – und ich nicht (lacht).

Sie sind Rechtsanwalt, Schiedsrichter, Schlichter, Autor diverser Standardwerke, Gründungsmitglied der ARGE, Dozent zahlloser Seminare. Wie schaffen Sie das alles?

Ich habe einfach immer schon gerne und viel gearbeitet, früher oft auch am Wochenende. Neben der eigentlichen Tätigkeit in der Kanzlei war es mir immer auch wichtig zu publizieren. Zusammen mit den Kollegen in der Kanzlei haben wir inzwischen weit über 50 Bücher geschrieben, als Herausgeber, als Mitautoren oder Autoren. Eines der Bücher erscheint jetzt in der 14. Auflage. Da sind wir wohl eines der produktivsten Büros im Fachbereich Baurecht. Zudem habe ich mehr als 750 Vorträge mit geschätzten 30.000 Teilnehmern gehalten. Daher fragen wir Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die sich bei uns bewerben nicht nur, welchen Sportverein sie unterstützen oder welches Musikinstrument sie spielen, sondern auch, ob sie oder er bereit ist für wissenschaftliche Veröffentlichungen im Baurecht. Ich glaube einfach, dass es für Baurechtler wichtig ist, sich darüber zu positionieren und sich auf diese Weise einen Namen zu machen.

Herr Dr. Koeble, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.