Last Exit Gerichtsverfahren

Weltweit steigt die Häufigkeit und Dauer von Baustreitigkeiten. Dem Global Construction Disputes Report 2016 zufolge dauerten Bauprozesse in 2015 durchschnittlich 15,5 Monate und damit knapp 18 Prozent länger als ein Jahr zuvor. Leider haben die Ergebnisse mit den Verhältnissen hierzulande kaum etwas zu tun. „Ich vermute, dass Deutschland entscheidend dazu beigetragen hat, dass der globale Durchschnitt angestiegen ist“, sagt Dr. Peter Sohn, Vorsitzender der ARGE Baurecht. Denn Streitigkeiten in Bausachen dauern hier in der Regel mehrere Jahre, nicht selten sogar deutlich länger, und verschlingen Unmengen an Zeit, Geld und Nerven. „Dabei sollte ein Gerichtsverfahren die allerletzte Möglichkeit sein, um Konflikte zu lösen, und erst zum Einsatz kommen, wenn alle anderen Optionen ausgeschöpft sind“, empfiehlt Sohn. Bei Rechtsstreitigkeiten, die sich über mehrere Jahre hinziehen, sei häufig nicht einmal mehr der Kläger an deren Ausgang interessiert, weil der juristische Streit wirtschaftlich überholt sei.

Überholte Rechnung

„Die außergerichtliche Streitbeilegung ist mit enormen wirtschaftlichen Potenzialen verbunden“, unterstreicht Sohn. „Denn durch eine geeignete Methode wie etwa die Schlichtungs- und Schiedsordnung für Baustreitigkeiten, SOBau, der ARGE Baurecht, lassen sich Konflikte am Bau meist schneller und günstiger lösen als vor Gericht.“ Sohn ist ausgebildeter Schlichter und wendet die SOBau seit vielen Jahren erfolgreich an. Damit ließen sich viele Unzulänglichkeiten und Probleme der gerichtlichen Auseinandersetzung vermeiden. Baurechtsanwälte sollten immer eine Risikoeinschätzung vornehmen und die Szenarien durchspielen, bevor sie vor Gericht gehen. Meistens ergibt sich daraus, dass die außergerichtliche Schlichtung die bessere Option ist. Nicht jeder Fall könne erfolgreich geschlichtet werden, aber „wir Baurechtler müssen uns von dem Automatismus lösen, dass aus einem Streit zwangsläufig auch ein Gerichtsverfahren werden muss.“

Herausforderung Mehrpersonenverhältnisse

Natürlich hat auch die Schlichtung ihre Tücken. Die größte Herausforderung bilden die am Bau häufigen Mehrpersonenverhältnisse und damit zusammenhängende Aspekte wie die Nachunternehmerkette und die gesamtschuldnerische Haftung. Es gibt nicht nur einen Kläger und Beklagten, sondern meist eine ganze Reihe von Streitenden. Die Drittbeteiligten, wie etwa die Subunternehmer eines beklagten Bauunternehmens, haben in einem Verfahren gegebenenfalls die gleichen Rechte wie die Parteien selbst. In aller Regel führt das dazu, dass nicht nur Kläger und Beklagter, sondern auch alle anderen Beteiligten zum Beispiel Stellung zu einem Gutachten nehmen. Umso mehr brauche man als Anwalt psychologisches Einfühlungsvermögen, um ein gutes Verhandlungsklima zu schaffen, in dem alle Beteiligten zu Kompromissen bereit sind.

Bauprojekte sind naturgemäß hochkomplex. Sie sind technisch kompliziert, es gibt viele Unwägbarkeiten und zudem unterschiedliche Interessen der Baubeteiligten in qualitativer, zeitlicher und finanzieller Hinsicht. „Daher empfehlen wir grundsätzlich, die Schlichtung bereits im Bauvertrag zu vereinbaren. Damit sind alle Partner bestens für den Streitfall gerüstet“, unterstreicht Sohn.