Augen auf bei funktionaler Baubeschreibung

OLG Bremen, Beschluss vom 23.08.2018 - 2 U 120/17

Wird in einer funktionalen Baubeschreibung im Generalunternehmervertrag "(Stahl-)Beton" ausgeschrieben, schuldet der Auftragnehmer zwingend Stahlbeton.

OLG Bremen, Beschluss vom 23.08.2018 - 2 U 120/17

Problem/Sachverhalt

Der Auftragnehmer (AN) war als Generalunternehmer mit der schlüsselfertigen Errichtung einer Logistikhalle zu einem Pauschalpreis beauftragt. Die VOB/B war vereinbart. Der Leistungsumfang ergab sich aus einer funktionalen Baubeschreibung, in der es hieß: "Die Hallensohle ist in (Stahl-)Beton fugenlos ... herzustellen. ... Eine Vorstatik für die Sohle ist nicht erstellt, da die Dimensionierung systemabhängig ist." Der Auftraggeber (AG) lehnte die vom AN beabsichtigte Ausführung mittels Walzbetonsystem ab. Der AN führte die Bodenplatte darauf in Stahlbeton aus und berechnete Mehrkosten i.H.v. 110.000 Euro. Diese machte er mit der Klage als Restwerklohn geltend.

Entscheidung

Klage und Berufung des AN wurden zurückgewiesen. Eine zusätzliche Vergütung ist nicht geschuldet, da die Ausführung in Stahlbeton vom Pauschalpreis umfasst ist. Auch wenn der Vertrag als Globalpauschalvertrag bezeichnet wurde und der Leistungsumfang funktional beschrieben wurde, kommt es für die Abgrenzung, welche Arbeiten geschuldet werden, auf den Inhalt des Vertrags, insbesondere die Leistungsbeschreibung an. Diese ist anhand der funktionalen Beschreibung auszulegen, was im Streitfall durch das Gericht (nicht durch Sachverständige) erfolgt. Das Landgericht hat insoweit Beweis darüber erhoben, ob es in Fachkreisen ein bestimmtes Verständnis des Worts "(Stahl-)Beton" gibt. Dies ist nicht der Fall. Das Landgericht hat daher das Wort so ausgelegt, dass der Klammerzusatz eine besondere Hervorhebung dessen darstellt, was geschuldet ist, also welcher konkrete Beton geschuldet ist, hier also "Stahlbeton". Der Hinweis auf die fehlende Vorstatik ändert hieran nichts, weil auch bei vorgegebener Bauweise in Stahlbeton verschiedene Dimensionierungen der Sohle möglich sind. Das OLG Bremen bestätigte diese Auslegung.

Praxishinweis

Bei Formulierungen in funktionalen Baubeschreibungen ist Vorsicht geboten. Sind diese sprachlich nicht eindeutig, entscheidet im Zweifelsfall nach Jahren ein Gericht über den Umfang der geschuldeten Leistung. Will man sich diesem Risiko nicht aussetzen, sollte jede Unklarheit im Vorfeld, d. h. vor Abgabe eines Angebots, mit dem zukünftigen Vertragspartner geklärt - und nachweislich dokumentiert - werden. Eine Änderung des Wortlauts ist anzustreben, ist dies nicht möglich, ist eine gesonderte Erklärung zu erstellen, die von beiden Parteien unterzeichnet wird.

RA und FA für Bau- und Architektenrecht Michael Kneip, Hannover

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